Klaus Walter Coaching und Supervision

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Konzept „Teamleitung in der Jugendhilfe“

Mai 2021

Der folgende Text ist entstanden als Vortrag für Leitungskräfte, die in der Verantwortung stehen, Teamleiter*innen für verschiedene Jugendhilfebereich zu rekrutieren. In diesem Vortrag versuche ich die großen Herausforderungen für diese Tätigkeit zu erfassen und auf dieser Grundlage zu einem Qualifikationsprofil sowie zu einem Förderkonzept von Aspirat*innen zu kommen. 1 . Einleitung Ich freue mich, dieses Thema einmal in einer Fortbildung verwenden zu können. Für mich war das eigentlich überfällig, denn ich habe mich Zeit meines Berufslebens immer wieder mit der Rolle von Teamleitungen und ihren Anforderungen auseinandergesetzt. Warum ich dieses Thema bislang nicht in der Form einer Fortbildung getan habe, hat mich erstaunt, als mich Herr Böhme darum bat. Eine völlig befriedigende Antwort habe ich nicht gefunden, habe mich aber erinnert, dass in den vielen Begegnungen mit Teamleitungen die Auseinandersetzung damit oft zwiespältig erlebt wurde. Ich möchte die Rolle von Teamleitungen mit ihnen unter zwei Aspekten betrachten: 1 . mit einer Definition der Kompetenzen eines Teamleiters und 2 . mit der Unterstützung die Pädagoginnen bei sie bei der Findung in ihrer neuen Rolle als Teamleiter benötigen. Wenn ich bei meinem Vortrag in der femininen und maskulinen Sprechweise wechsele, betrachten sie das bitte als kleinen Beitrag zur Genderisierung. Wenn ich ihnen nun Inhalte anbiete, dann möchte keinen einseitigen Vortrag halten, sondern Anregung liefern und über die einzelnen Punkte in Gespräch kommen. Ich würde mich also freuen, wenn Sie sich mit Fragen und Meinungen melden und wir zu einer fruchtbaren Diskussion finden. Sollten Sie etwas nicht verstanden haben, machen Sie sich bitte bemerkbar! Zu meiner Person: Zu meinem beruflichen Hintergrund sollten sie wissen, dass ich zu Anfang der 80er Jahre meine Tätigkeit als Psychologe im Stephansstift begonnen habe. Schon damals gehörte zu meinen Aufgaben neben der Psychotherapie der jungen Menschen auch die Fortbildung und Beratung von Teams, Teamleiterinnen und Heimleitern. Seit 2015 lebe ich zwar im Ruhezustand, arbeite aber noch als Coach und Supervisor für das Cornelius-Werk, gelegentlich auch für eine Feuerwehr und eine IT-Firma. Im Stephansstiftes wurde ich regelmäßig hinzugezogen, wenn es um die Frage ging, einen Pädagogen mit einer neuen Aufgabe zu betrauen. Nebenbei bemerkt, waren es in meiner Anfangszeit hauptsächlich Männer, die in eine Leitungsfunktion aufstiegen. Und ich habe noch im Ohr, dass die Frage der Qualifikation gelegentlich mit dem Hinweis auf ein „Naturtalent“ des Bewerbers beantwortet wurde. Ich habe mich damals damit unbeliebt gemacht, dass ich dieses schlichte Konzept angezweifelt habe. Zwangsläufig habe ich mir darum die Frage gestellt …. Was muss ein Teamleiter eigentlich tatsächlich können? Will ich die erforderliche Qualifikation einer Teamleiterin genauer und realistisch beschreiben, bringt mich das zu einer Unterteilung in die fachliche Kompetenz und in die psychischen Herausforderungen . A. Kompetenzen für die Teamleiteraufgabe Dabei schaue ich einmal auf meine verschiedenen aktuellen Betätigungsfelder. Meine Erfahrung dabei ist, dass die Herausforderungen an Leitungen in der Industrie und in einer ausgeprägt hierarchischen Leitungsstruktur wie zum Beispiel bei einer Feuerwehr nicht die gleichen sind wie in sozialen Einrichtungen. So wie ich diese verschiedenen Organisationen kennen gelernt habe, haben Teamleiterinnen in sozialen Einrichtungen nach meiner Wahrnehmung mehr Freiheiten und inhaltliche Entfaltungsmöglichkeiten. Aber sie sind unter anderem wegen ihrer Verantwortung für die zu Betreuenden auch deutlich stärker mit persönlicher Belastung konfrontiert. In der Folge leiden sie früher unter ersten Symptomen von Ausgebrannt-Sein. Aus diesem Grund sehe ich die Notwendigkeit, ihnen für ihre Funktion auch eine besondere Unterstützung zukommen zu lassen. Die Unterstützung bei der Vorbereitung für die Leitungsaufgabe in kommerziell ausgerichteten und stark strukturierten Organisationen erschien mir immer besser und gezielter. Zudem nahmen die Führungskräfte hier die starke Einbindung in einer Organisationsphilosophie als helfende Orientierung wahr. Feuerwehr: HELFEN – BERGEN - RETTEN Für mich gilt darum die Schlussfolgerung, dass es in sozialen Einrichtungen gilt, die Vorbereitung auf die Leitungsrolle nach Kräften zu verbessern. Helfen kann dabei unter anderem eine nachvollziehbare Definition der geforderten Kompetenzen in Form einer Leistungsbeschreibung. Forderungen an die Leitungsrolle – ein Definitionsversuch Im Folgenden stelle ich ihnen einmal meinen Entwurf einer Leistungsbeschreibung vor. Im Weiteren leite ich dann daraus ein Anforderungsprofil ab. Beide Entwürfe verstehe ich nicht als endgültige Fassungen sondern als Grundlage für eine Diskussion. Angelehnt ist die Beschreibung an den demokratischen Leitungsstil von Kurt Lewin. Leistungsbeschreibung Teamleiterinnen sind dafür verantwortlich, dass die Arbeit in der Gruppe gut funktioniert und die gesteckten Ziele erreicht werden. Dies ist eine Art Leitsatz oder Grundorientierung der Leistungsbeschreibung, die dann mit weiteren Inhalten zu füllen und zu konkretisieren ist. Teamleiter versorgen ihr Team dazu mit den nötigen Informationen, legen Rahmenbedingungen fest, schulen ihr Personal oder sorgen für dessen Schulung und sind Ansprechpartner bei Fragen und Problemen. Dies bedeutet, dass Teamleiter als Bindeglied zwischen übergeordneter Leitung und Team fungieren, den Informationsfluss dabei aufrechterhalten müssen. Des Weiteren steuern sie die Prozesse bei denen Aufgaben im Team umverteilt werden, geben ihre pädagogischen Kompetenzen weiter und sorgen dafür, dass Teammitglieder erforderliche Fortbildungen bei Bedarf auch durch dritte erhalten. Sie bieten sich als erste Ansprechpartner für Teammitglieder an, wenn diese Störungen im Ablauf erkennen. Teamleiterinnen arbeiten eng mit dem Team zusammen, dessen Mitglied sie gleichermaßen sind oder lassen die Beteiligten bei bestimmten Anforderungen und Aufgaben selbstverantwortlich agieren. Dabei übernehmen sie die Steuerungsrolle und beobachten den Prozess, um bei Bedarf einzugreifen. Teamleiterinnen müssen sich also als Teil des Teams mit besonderer Kompetenz wahrnehmen. Sie müssen die Fähigkeiten ihrer Teamkollegen realistisch einschätzen, um Aufgaben zu teilen und in eigene Verantwortung übergeben zu können. Dabei müssen sie geeignete Formen der Rückmeldung schaffen, um den Erfolg bewerten und verfolgen zu können. Eine wichtige Aufgabe ist die Moderation des Teams. Teamleitungen regen Diskussionen an, die zu neuen Lösungsansätzen und Ideen führen. Teamleiter müssen die Prozesse des Teams moderierend steuern. Es braucht darum eine Leitungsform die auch als demokratischer Leitungsstil beschrieben wird. Eine rigide oder autoritäre Anweisungsleitung würde vom Team kaum angenommen werden, vielmehr zu Widerstand führen und lediglich Ressourcen verschlingen. Diese Leitungsform muss eine Teamleiterin transparent und offensiv angehen sowie entsprechende interpersonelle Räume dafür schaffen, indem sie zur Beteiligung an Lösungsprozessen aufruft. Regelmäßige Teamgespräche sind ein wesentliches Instrument. Mit der Teamführung ist die Betreuung einzelner Mitarbeiter verbunden. Es gilt Teamkollegen zu motivieren, Beziehungsprobleme innerhalb der Gruppe zu lösen und Hilfe bei Konflikten zur Verfügung zu stellen. Pädagogen haben wie alle Menschen ihre veränderlichen Stärken und Schwächen sowie persönlichen Belastungen. Ein Teamleiter muss aufmerksam für diese Veränderungen bleiben und bei persönlichen Problemen seiner Kolleginnen gegensteuern, mit Motivation und auch aufbauender Kritik. Auch Konflikte zwischen Teammitgliedern muss er adäquat ansprechen und zu lösen versuchen. Er muss die dafür nötigen Gruppenprozesse im Team steuern. Wo die Konflikte seine Möglichkeiten übersteigen, muss er für Abhilfe von außen sorgen (Zum Beispiel in Form zusätzlicher Teamsupervision etc.). Bitte schauen Sie sich diesen Entwurf einer Leistungsbeschreibung noch einmal an und prüfen sie seine Stimmigkeit. Können Sie diesen Punkten zustimmen? Fehlt etwas? Aus dieser Leistungsbeschreibung leitet sich für mich ein Anforderungsprofil an eine Bewerberin ab. Ich unterscheide dabei in persönliche Eignung und Kernkompetenz bzw. fachliche Kompetenz . Anforderungsprofil Persönliche Kompetenz : Es bedeutet, zu fragen: Welche persönliche Eignung sollte eine Teamleiterin besitzen? Selbstbewusstsein: Ich finde es erforderlich, dass ein Teamleiter seine Stärken und Schwächen kennt sowie kritikannahmefähig sein. Die Leitung eines Teams erfordert meines Erachtens eine gesunde Selbstreflektion. Ein Mensch, der sich selbst überschätzt wird immer wieder Fehler machen und keine Kritik annehmen wollen. Die Fähigkeit, Kritik annehmen zu können, ist darum ein sehr gutes Auswahlkriterium für eine Bewerberin. Durchsetzungskraft: Er oder sie sollte ein sicheres Auftreten auch in Konfliktsituationen haben und die Fähigkeit besitzen, Grenzen zu setzen. Erfreulicherweise ist sicheres Auftreten keine angeborene, sondern eine erworbene Eigenschaft. Im Grunde besitzt jeder Mensch Potential für sicheres Auftreten. Um dieses Potential freisetzen zu können, bedarf es aber der Erkenntnis, das eigene Fehlbarkeit etwas Selbstverständliches ist. Fehler einzugestehen ist keine Schwäche. Ich habe unter anderem in meinen Fortbildungen für angehende Gestaltpsychotherapeuten und in meinen Selbsterfahrungsgruppen die Erfahrung gemacht, dass viele Menschen, die Möglichkeit zu persönlichem Wachstum nutzen können und wollen. Zu Durchsetzungskraft gehört aber auch, zur eigenen Haltung zu stehen, Grenzen setzen können. Was zunächst wie ein Widerspruch zum demokratischen Leitungsstil wirkt, lässt sich damit auflösen, dass es heißt nicht, auf einem Unrecht zu bestehen, um nicht das Gesicht zu verlieren. Grenzen setzen heißt vielmehr, Verbindlichkeiten immer dann einzufordern, wenn sie erforderlich sind. Dies muss eine Teamleiterin unterscheiden können. Soziale Intelligenz: Er oder sie braucht Einfühlungsvermögen und Empathie, um die Einstellungen und Werte des Teams zu erfassen können. Empathie ist erfahrbar. Wir spüren, ob uns ein Mensch empathisch wahrnimmt. Ein empathischer Mensch spürt, ob er Zugang zu anderen findet oder nicht. Bei Wikipedia habe sich eine Definition gefunden, die ich gerne verwenden mag: Empathie bezeichnet die Fähigkeit und Bereitschaft, Empfindungen, Emotionen, Gedanken, Motive und Persönlichkeitsmerkmale einer anderen Person zu erkennen, zu verstehen und nachzuempfinden. Nur wenn ein Teamleiter in dieser Form emphatisch ist, vermag er die Rolle Teamleiters mit demokratischem Leitungsstil gut auszufüllen und sein Team für sich zu gewinnen. Bitte schauen Sie sich diesen Entwurf für persönliche Kompetenz an und prüfen sie seine Stimmigkeit. Können Sie diesen Punkten zustimmen? Fehlt etwas? Ich habe die Zusammenfassung der persönlichen Kompetenz in den letzten Tagen wiederholt gelesen und gemerkt, dass mir manchmal gar nicht bewusst ist, wie anspruchsvoll die Anforderungen an Teamleiterinnen tatsächlich sind. Ich gehe davon aus, dass es anderen sicherlich genauso wie mir ergehen wird. Der folgende Blick auf die geforderte Fachliche Kompetenz macht dies umso deutlicher. Fachliche Kompetenz Ich beschreibe hier Kompetenzen, die im Einzelnen noch konkreter betrachtet werden müssen. Dabei sollte auf die damit verbundene fachliche Haltung und die Beschreibung von gewünschten Methoden eingegangen werden. Kompetenz Beraterin : Eine Teamleiterin soll sein Team beraten, inhaltliche sowie methodische Fragen mit ihm klären. Diese Aufgabe erfordert ein entsprechendes, nach meiner Meinung demokratisches Leitungskonzept, ein fundiertes pädagogisches Wissen und ein effektives, methodisches Beratungskonzept. Eine bestimmte pädagogische Methode ist hierbei nicht festgelegt. Sie hängt von der Konzeption der Einrichtung ab bzw. vom Konzept der Wohngruppe. Ich halte es aber für erstrebenswert, wenn eine gewisse Flexibilität in der Methodenwahl ermöglicht wird. Zwangsläufig ergibt sich hieraus, dass der Teamleiter dem Team inhaltlich etwas anbieten können muss. Ich stelle mir aber auch nicht den pädagogischen Überflieger vor, sondern empfehle einen sogenannten sokratischen Stil, bei dem mit einer offenen Fragetechnik nach Antworten gesucht wird. Besitzt der Teamleiter Fortbildungskenntnisse in Moderation, so hat dies sicherlich Vorteile. Kompetenz Fähigkeiten als Verhandlungspartnerin: Sie soll dafür sorgen, dass das Team die erforderlichen Mittel erhält und geeignetes Personal für Projekte zur Verfügung steht. Dafür braucht sie die Fähigkeit, die Belange des Teams in den Rahmen der Gesamtorganisation einzuordnen, sodass sie realistische Zielsetzungen formulieren kann und damit die Interessen des Teams in der Organisation erfolgreich vertritt. Kompetenz Konfliktmanager : Er benötigt die Fähigkeit Probleme zu erkennen und den Teammitgliedern dabei zu helfen, diese zu lösen. Das bedeutet, sie muss wach sein für Konflikte, sie nicht übergehen, aber auch nicht überhöhen. Sie muss für die Lösung einen hilfreichen Rahmen einrichten können und eine Konfliktlösestrategie besitzen. Hier sind die Fähigkeiten einer soliden pädagogischen Ausbildung und Berufserfahrung sicherlich eine gute Grundlage. Kompetenz Moderatorin : Sie soll ihr Team moderieren, so dass alle das gleiche Ziel verfolgen. Das bedeutet, dass sie sich selbst im Team einordnen können muss, das Team nicht bestimmt, die Belange der einzelnen aufgreifen kann. Sie sollte Kenntnisse über Moderationstechniken haben, zum Beispiel aus einer Fortbildung. Kompetenz Koordinator: Er soll die Arbeitsabläufe organisieren, das Budget überwachen und die Verantwortung für die Einhaltung von Terminen übernehmen. Das bedeutet, sie muss funktionsfähige Strukturen herstellen und überschauen können. Der Umgang mit dem PC ist dabei unerlässlich. Ich habe ihnen hier meine Ideen vorgestellt, die ich zur Diskussion stelle, bevor ich noch tiefer auf die seelischen Herausforderungen an Teamleiterinnen und -Leiter herangehen möchte - ein Thema, welches mir ganz besonders am Herzen liegt. B. Die seelischen Herausforderungen an den Teamleiter Teamleiter und Teamleiterinnen haben mir berichtet, wie sie sich in der einen oder anderen Weise gefragt haben, ob sie der Herausforderung gewachsen sind. Die Antworten waren oft von Zweifeln, in sehr seltenen Fällen von Selbstüberschätzung und ebenso seltenen aber auch von Verzweiflung bestimmt. Der Zweifel an der Kompetenz Zweifel entstehen oft aus dem subjektiven Gefühl von Unzulänglichkeit. Sie entstehen aber auch, weil die Rolle eines Teamleiters ihre Besonderheiten hat, auf die ich eingangs hingewiesen habe. Eine Pädagogin wird durch ihre Auswahl zum Teamleiter als geeigneter für die Rolle angesehen, als andere Mitglieder des Teams. Damit wird sie unter den anderen hervorgehoben . Dieses Hervorheben hat deutliche Auswirkungen auf ihre Selbstwahrnehmung und die Wahrnehmung durch das soziale Umfeld und damit auch auf die Beziehungen. Entsteht dann der Zweifel, ist er zu unterscheiden in … Konstruktiver oder quälender Selbstzweifel In der Selbstwahrnehmung stellt sich jedem Menschen in einer Leitungsaufgabe die Frage, wie kompetent er sich für die neue Rolle erlebt. Auf den ersten Blick erscheint die realistische Einschätzung einer guten Kompetenz wünschenswert. Tatsächlich habe ich solch eine Selbsteinschätzung aber nur selten erlebt. Selbstzweifel habe ich bei Teamleitern in der Jugendhilfe hingegen recht ausgeprägt wahrgenommen. Ein Zweifel an der eigenen Kompetenz muss aber überhaupt kein Problem sein. Ein Zweifel kann ja Grundlage für eine gesunde Selbstreflektion sein. Er kann Zeugnis dafür sein, dass ich bereit bin, mich in eine vorübergehend unsichere Haltung zu begeben, um zu Neuem zu gelangen. Diese konstruktive Form von Zweifel ist neben der Neugier meines Erachtens sogar wünschenswert in jeder Berufsrolle, denn die Alternative wäre ja vermutlich ein Stillstand in der eigenen Entwicklung. Viel zu oft habe ich aber den quälenden Zweifel erlebt, für den kein hinreichender Raum zur Auflösung im alltäglichen Stress bestand. Oft bestand die Befürchtung, dass der offene Umgang mit dem Selbstzweifel problematisch wäre, einen Gesichtsverlust bedeuten würde. Die nahezu zwangsläufige Folge waren dann Bewältigungsversuche mit inadäquaten Lösungen. Der Eindruck von Schwächen musste überspielt werden oder kompensiert durch übermäßiges Agieren oder Reglementieren, beziehungsweis mit dem Versuch, sich unangreifbar zu machen. Diese Wege sind kontraproduktiv sowie aufreibend und befeuert das Ausbrennen. Bemerkenswert ist, dass solche Ängste und Zweifel auch in meiner angebotenen Supervision oft nicht zu Anfang eingebracht wurden, sondern erst erkannt und aufgedeckt werden mussten. Einen Unterschied habe ich dahingehend erlebt, dass Pädagoginnen noch zurüchaltender waren und stärker litten. Meine Theorie ist, dass sie in ihrem Umfeld noch mehr unter Erfolgsdruck standen oder stehen als Männer. Die Wahrnehmung durch das Umfeld Das Team reagiert auf den neuen Teamleiter mit einer Haltung, die einerseits durch seine Kollegialität und Persönlichkeit und andererseits Anderen durch Neid oder auch durch überzogene Erwartung bestimmt wird. Diese Haltung sieht das Team durch das weitere Verhalten des Teamleiters dann bestätigt oder enttäuscht. Wie sich das Bild der Teamleiterin in den Augen ihres Teams entwickelt, hängt auch davon ab, wie sie den Spagat in ihrer neuen Rolle bewältigt. Der Spagat in der Rolle des Teamleiters Der deutsche Philosoph und Kinderliederautor Manfred Hinrich hat einmal geschrieben: „Er ist nicht Fisch noch Fleisch, aber ein guter Kuchen.“ Dieser Aphorismus lässt sich ganz gut auf die Rolle des Teamleiters übertragen. Die Teamleiterin ist ja nicht losgelöst von pädagogischen Aufgaben, aber durch ihre leitende Tätigkeit auch nicht ganz Gruppenpädagoge. Ein Teamleiter bezeichnete im Gespräch mit mir seine Rolle einmal als schizophrene Situation. Das ist natürlich pointiert, denn schizophren ist sie nur, wenn er seine Position des Ersten unter Gleichen nicht als solche anerkennt und er den dynamischen Prozess in der jeweiligen Herausforderung nicht annimmt. Eine Teamleiterin muss lernen und bereit sein von Situation zu Situation entscheiden, mit welchem Maße sie sich in den laufenden Prozess leitend und/oder kollegial einbringt. Diese Kompetenz lässt sich durch Fortbildung begründen. Leben bekommt sie aber erst durch die Persönlichkeit des Menschen, unterstützt durch Supervision und zunehmende Erfahrung. Im Grunde muss sich ein Mensch in dieser Rolle erst einmal erfinden. Wenn diese Erfindung gelingt, kann gerade die Dynamik dieser Rolle sehr viel Spaß bringen. Neid und überzogene Erwartung des Teams Ein neuer Teamleiter muss sich mit seiner veränderten sozialen Stellung im Team und den seelischen Auswirkungen in den Beziehungen vertraut machen. Ambitionen auf die Rolle des Teamleiters haben vielleicht auch andere Mitglieder des Teams gehabt, die nun enttäuscht sind. Damit kann Missgunst und Zweifel an der Kompetenz der neuen Teamleiterin entstehen, welche sich im Alltag auswirken. Dies muss beachtet und eventuell auch angesprochen werden. Es kann andererseits eine fordernde Erwartung bei den Teammitgliedern aufkommen, dass der neue Teamleiter nun Aufgaben auf seine Schultern lädt, von denen man meint, sie nicht selbst tragen zu können oder zu wollen. Es mag so ein Druck entstehen, dass die Teamleiterin zu einer Art Überpädagogin werden soll. Der neue Teamleiter muss in diesem Fall Grenzen setzen können. Sein Team zu leiten, bedeutet ja auch, die Aufgaben in angemessener Weise zu delegieren und nicht ihre Erledigung in überzogener Weise selbst in die Hand zu nehmen. Teamleitungen unter sich Mir wurde immer wieder von Situationen berichtet, in denen zwischen verschiedenen Teams und Teamleitern eine die Kräfte verbrauchende Konkurrenzsituation bestand. Oft hing sich diese Konkurrenz an Inhalten des pädagogischen Profils oder an der erzieherischen Haltung eines Teams auf. Aus einer möglichen Win-Win-Situation durch fachlichen Austausch, entwickelt sich in solchen Momenten leicht ein Klima von Distanzierung und Abgrenzung, wenn nicht sogar Feindseligkeit. Wünschenswert wäre, dass Teamleitungskolleginnen einen neuen Kollegen durch den Erfahrungsaustausch, durch offenen Umgang mit den Anforderungen und Problemen der Leitungstätigkeit förderten. Diese Form des Umgangs benötigt wiederum eine Förderung durch die Bereichsleitung und eventuell auch durch die Supervision einer Teamleiterrunde. Wenn eine solche Förderung zu einem kollegialeren Umgang führt, kann dies enorme, bislang gebundene Kräfte freisetzen und der Einrichtung insgesamt dienlich sein. Strategischer Rückzug Eine Teamleiterin aus meiner Supervision litt unter ihrer Aufgabe, war überfordert. Zwei Jahre hatte sie durchgehalten und zeigte nun deutliche Symptome auszubrennen. Für sie war es notwendig, die Rolle als Teamleiterin aufzugeben. Gerne wäre sie wieder als Teammitglied ohne Leitungsaufgaben tätig geworden. Ihre größte Sorge bei dem Schritt war, wie das durch andere wahrgenommen werden würde. Die Motivierungsversuche durch ihren Vorgesetzten, der ihre Ermüdung bemerkte, erlebte sie als Belastung. Sie hatte Angst, ihn zu enttäuschen. Es geht mir jetzt nicht darum, zu beschreiben, wie wir die Situation aufgelöst haben. Vielmehr möchte ich dafür werben, dass jeder neue Teamleiter aufgezeigt bekommen sollte, für sich den Rückweg in die alte Funktion nicht als Versagen zu erleben. Der Rückweg sollte darum eine grundsätzliche Option sein, die dem Bewerber verdeutlich und geebnet wird. C. Eigene Erfahrungen der Teilnehmer Mir liegt daran, dass Sie mein Bild durch ihre eigenen Erlebnisse und Erfahrungen ergänzen. Bitte nehmen Sie sich 5 Minuten Zeit, sich an ihren eigenen Weg zu erinnern! Von welcher Qualifikation nehmen sie an, dass sie der Grund für die Übereignung ihrer Leitungsaufgabe war? Wie haben Sie sich auf die Aufgabe vorbereitet? Können Sie sich an ihre eigenen Gefühle in ihrer Anfangszeit erinnern? Wie haben Sie die Startschwierigkeiten bewältigt? Was würden Sie mit ihrer heutigen Erfahrung anders machen, wenn sie am Anfang ihrer Leitungsaufgabe stünden? D. Eckpunkte eines Konzepts Wenn ich akzeptiere, dass es kein „Naturtalent“ für die Rolle des Teamleiters gibt, muss ich mir ein Konzept zulegen, mit dem ich a. eine gute Auswahl für eine Aspirantin treffe, b. mit dem ich sie unterstütze, in ihre anspruchsvolle Aufgabe hineinzuwachsen. Ideen für einen Leitfaden Eine gute Wahl eines Aspiranten für die Teamleiteraufgabe ergibt sich daraus, … die Persönlichkeit unter den Aspekten Selbstbewusstsein, Durchsetzungskraft, Soziale Intelligenz zu beachten, nach Vorerfahrungen zu suchen, die einige der beschriebenen Kompetenzen abdeckt, auf die Bereitschaft zur Reflektion der Berufsrolle, einschließlich Kritik- und Selbstreflektionsfähigkeit zu achten, die Bereitschaft zu persönlicher Entwicklung wahrzunehmen, die Wertschätzung des Teams für den Kollegen zu berücksichtigen. Die Aufgabe eines Vorgesetzten sollte im Weiteren sein, den Aspiranten … gezielt an die Aufgabe heranzuführen, durch geeignete Fortbildung und eventuell Hospitation (unter Beachtung der beschriebenen fachlichen Kompetenzen), vertraut zu machen mit den sozialpsychologischen Besonderheiten seiner neuen Rolle und den Erwartungen der Bereichsleitung (Leitungsidee), eine unterstützende Phase des Übergangs anzubieten, zu dem das vertrauensvoll anleitende Gespräch mit einem fördernden Fehlermanagement ebenso gehört, wie das offene Ohr für die Startschwierigkeiten, über einen bestimmten Zeitraum eine Supervision seiner Leitungstätigkeit zu ermöglichen, in der er geschützten Raum für die Bewältigung von Ängsten und Zweifel hat sowie seine individuelle Leitungsrolle reflektierend finden kann, in der Runde der Teamleiter ein förderndes Gesprächsangebot zu installieren, dass die Leitungsrolle zum Thema hat (gegebenenfalls unter Anleitung durch Bereichsleitung oder Supervisor). Und nicht zu guter Letzt, muss der Rückweg in eine angestammte Pädagogenrolle oder eine adäquate Alternative aufgezeigt und erleichtert werden, wenn er sich der Leitungsrolle nicht gewachsen sieht – und zwar ohne Gesichtsverlust.
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