Klaus Walter Coaching und Supervision

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INFO Umgang mit jungen Menschen, die suchterzeugende Substanzen gebrauchen

Das Ziel in der Jugendhilfe war lange Zeit, bei jungen Menschen generell Suchtmittelabstinenz zu erreichen. Es gab Zeiten, in denen wir der Auffassung waren, dass es unumgänglich sei, dass junge Menschen überhaupt keine Drogen nehmen und sie diese am besten auch gar nicht erst kennenlernen. War dies nicht zu erreichen, endete oft die Betreuung oder wurde erst gar nicht begonnen. Viele Einrichtungen der Jugendhilfe hatten aus diesem Grunde sogar Ausschlusskriterien in ihren Konzeptionen aufgenommen. Irgendwann mussten wir erkennen, dass dieser Maßstab wenig mit der Wirklichkeit zu tun hat, denn Konsumfreiheit entspricht überhaupt nicht der Lebenswelt, in der ein junger Mensch heranwächst und der er sich anpassen soll. Es ist erwiesen, dass junge Menschen vor dem Kontakt zu illegalen Drogen nicht grundsätzlich bewahrt werden können. Unsere Forderung nach Abstinenz hatte die Erwachsenenwelt in den Augen junger Menschen unglaubwürdig gemacht. Der Konsum illegaler Drogen wurde nicht selten zur Protestreaktion. Um pädagogisch wirksam zu sein, müssen uns junge Menschen als glaubwürdig erleben. Ein Betreuer ist glaubwürdig, wenn er im Kontakt mit jungen Menschen kein falsches Bild von der Realität aufbaut. Hierzu gehört auch, dass er oder sie zu den eigenen Vorlieben (z.B. dem Genuss des alkoholischen Getränkes) und Abhängigkeiten (z.B. dem Rauchen) steht. Jugendliche sind bezüglich des Konsums suchterzeugender Substanzen bei ihren Betreuern ungeheuer sensibel und bemerken Verheimlichungsversuche. Natürlich muss die Abstinenz als Ziel für einen Umgang mit suchterzeugenden Substanzen nicht aufgegeben werden, aber sie darf nicht generell gefordert werden und es muss für junge Menschen alternativ die Möglichkeit geben, ein akzeptables Konsummuster zu erlernen, mit dem sie nicht in eine Abhängigkeit geraten bzw. sich nicht durch die Substanzwirkung schädigen. Prävention in der Gruppe Ein wesentlicher Faktor beim Erwerb von Konsummustern ist der Einfluss der Gruppe. Soziale Gemeinschaften leben Konsummuster vor und fordern ihre Ein-haltung ein. Wir kennen dies aus vielen Situationen in unserer Erwachsenenwelt: Alkoholtrinken wird z.B. an bestimmte Anlässe gebunden. Solche sozialen Konsummuster regulieren den Gebrauch der Substanzen, so dass die Gefahr, die von ihnen ausgeht, reduziert wird. Befragungen zeigen, daß sich junge Menschen oft von Bekannten und Freunden vom Gebrauch suchterzeugender Substanzen abhalten ließen bzw. ihrerseits Bekannte und Freunde abgehalten haben. Dies weist sehr deutlich auf den Gruppeneinfluss hin. Ein pädagogisches Mittel kann darum sein, im Rahmen einer zu betreuenden Gruppe eine „Gegenkultur“ zum Suchtmittelkonsum aufzubauen . Einige Aspekte dieser „Gegenkultur“ können sein: Anerkennung und Belohnung des Konsumverzichts durch die Gruppe, Imageaufwertung des Nicht-Konsumenten, aktives Alternativprogramm zur konsumtiven Freizeitgestaltung, Gruppenunternehmungen.... Ein wesentliches Problem illegaler Suchtmittel besteht darin, dass eine Subkultur die Konsummuster bestimmt. Wir haben als Betreuer in aller Regel nicht die Möglichkeit unmittelbar darauf Einfluss zu nehmen, da wir natürlich der Rechtsstaatlichkeit unterworfen sind. Unsere pädagogische Arbeit kann auf Konsummuster bei illegalen Drogen darum nur mittelbar - z.B. im Gespräch über den Konsum bzw. Konsumverzicht - einwirken. Prävention Der Verzicht auf den Konsum einer suchterzeugenden Substanz ist kein einmaliger Schritt, sondern ein ständiger Vorgang. Wer sich entschlossen hat für eine Weile keinen Alkohol zu trinken wird erkennen, wie oft in verschiedenen sozialen Situationen diese Entscheidung erneut abgefordert wird. Geringer Suchtmittelkonsum oder Abstinenz bedeutet also, sich immer wieder neu zwischen zwei entgegenwirkenden Motivationen gegen den Gebrauch der Substanz zu entscheiden. Die eine Motivation wird bestimmt durch alle Gründe, Haltungen und Bedürfnisse die für den Konsum sprechen und die andere für die dagegen. Prävention zielt unter diesem Gesichtspunkt, darauf, dass ein Mensch an Gründen gewinnt, die gegen den Gebrauch sprechen. In Untersuchungen hat sich z.B. herausgestellt, dass junge Menschen negative Wirkungen von Substanzen als Grund für Konsumverzicht angaben. Pädagogen sollten also unbedingt die Wirkungen und schädlichen Folgen von suchterzeugenden Substanzen kennen und angemessen vermitteln können (abschreckende Aktionen haben sich als wirkungslos herausgestellt). Abhängigkeit und Heilung Suchterzeugende Substanzen werden immer dann zur Gefahr, wenn akzeptable Konsummuster aufgegeben werden. Dies ist in der Regel der Fall, wenn ein Mensch aus dem seelischen Gleichgewicht gerät und die suchterzeugende Substanz als trügerische „Lösung“ für seine Probleme einsetzt. Oft nimmt bei einem abhängig gewordenen jungen Menschen und auch bei seinen Betreuern die Droge dann das ganze Blickfeld ein. Unter Umständen wirkt sich ihre Bedrohung so sehr auf alles Denken und Handeln in der Betreuung aus, dass übersehen wird, wie dem weiteren Konsum seine Basis auf professionelle Weise entzogen werden kann. Hektische und unüberlegte Reaktionen sind aber keinesfalls hilfreich und verschlimmern meist das Problem. Wenn man genau hinsieht, ist schnelles Handeln ja auch nur in Ausnahmen erforderlich. Prävention und auch Heilung bedeuten auf diesem Hintergrund grundsätzlich, einen Menschen zu befähigen, seine Probleme kreativ, konstruktiv und erfolgreich zu lösen. Unter Umständen verhindert aber eine Drogenabhängigkeit diese Absicht, so dass zunächst eine Entzugsbehandlung oder eine Substitution erforderlich ist. Aufgabe der Jugendhilfe Jugendliche, die Erfahrungen mit suchterzeugenden Substanzen sammeln, dürfen von der Jugendhilfe nicht ausgeschlossen werden, weil sie dies tun. Die jungen Menschen die zu uns kommen, besitzen einen hohen Grad an Anfälligkeit für den Gebrauch dieser Substanzen. Diese Anfälligkeit ist Bestandteil ihrer gesamten Problematik und lediglich deren äußerer Ausdruck. Wenn der Gebrauch der Substanzen keine abhängige und gesundheitsgefährdende Form angenommen hat und die Abhängigkeit auch nicht unmittelbar droht, ist die Unterbringung in einer spezialisierten Gruppe nicht erforderlich. Dennoch müssen die Betreuer dieser jungen Menschen die Kompetenz besitzen, mit dem Thema Drogengebrauch umzugehen. Für junge Menschen die regelmäßig Suchtmittel gebrauchen, müssen spezielle Angebote erarbeitet werden. Zeichnung aus „Die Peanuts“ von Charles M. Schulz

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Das hier vorgelegte Infoblatt wurde erarbeitet von der AG „Sucht und Drogen“ des Stephansstiftes. Die AG setzte sich aus MitarbeiterInnen der Jugendhilfe aus verschiedenen Arbeitsbereichen zusammen.
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