Klaus Walter Coaching und Supervision

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Die therapeutische Wirkung der Beziehung zwischen Mensch und Tier

„Noch bist du für mich nichts als ein kleiner Junge, der hunderttausend kleinen Jungen völlig gleicht. Ich brauche dich nicht, und du brauchst mich ebensowenig. Ich bin für dich nur ein Fuchs, der hunderttausend Füchsen gleicht. Aber wenn du mich zähmst, werden wir einander brauchen. Du wirst für mich einzig sein in der Welt. Ich werde für dich einzig sein in der Welt ...“ (aus „der kleine Prinz“ von Saint-Exupéry) EINLEITUNG In Deutschland lebt in beinahe jedem dritten Haushalt ein Haustier. Menschen suchen also die Nähe und Gesellschaft von Tieren. Zeitungen und Zeitschriften berichten über positive Effekte dieser Beziehungen. Seit etwa den 70er Jahren gibt es vermehrt wissenschaftliche Untersuchungen der Wirkungen, die Tiere beim Menschen auslösen. In meiner Einleitung möchte ich auf ein paar Beispiele von Erfahrungen und Ergebnissen der wissenschaftlichen Erforschung der Mensch-Tier-Beziehung hinweisen, ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Ich werde dabei auch Beispiele für die pädagogische und therapeutische Arbeit mit Tieren anführen, unter anderem von meiner Arbeit in der Jugendhilfe mit meinem Hund Bingo. Ich habe mich entschlossen, ihnen meinen Co-Therapeuten leibhaftig vorzustellen, so dass sie sich aus eigener Erfahrung über ihren Einfluss informieren kann. Zuvor möchte ich noch Begriffe klären, die im Zusammenhang mit tiergestützter Arbeit benutzt werden: Was sind Besuchshunde oder Besuchstiere? Dies sind Tiere die zu Besuchen in Institutionen (z.B. Krankenhäuser und Altersheime) gebracht werden. Im englischsprachigen Raum nannte man dies lange pet therapy. Der Begriff erscheint allerdings überhöht, wenn es ausschließlich auf den Besuchskontakt ankommt. Was ist tiergestützte Therapie? Die Begriffe „pet-assisted therapy“, „pet-facilitated psychotherapy“ und „pet-facilitated child psychotherapy” werden im Englischen synonym verwendet. Gemäß der amerikanischen Delta Society wird unterschieden in… AAA = Animal-Assisted Activities und AAT = Animal-Assisted Therapy Die amerikanische Organisation entwickelte Standards für die Rolle der Tiere in therapeutischen Programmen. Wesentliche Unterscheidung war, ob die Tiere zur Unterhaltung eingesetzt wurden (AAA) oder dazu, bei einem bestimmten Menschen eine bestimmte therapeutische Wirkung zu erzielen (AAT). Die Organisation lehnte sich mit der letzteren Definition an ein experimentelles Setting an und stellte die Erfahrungsseite zurück. Ich gehe davon aus, dass mit eindeutig Messbarem der Versuch gemacht werden sollte, der umstrittenen Wirkung harte Fakten entgegenzusetzen. Was ist therapeutisches Reiten? Ich hebe diesen Begriff hervor, weil er bereits eine längere Tradition hat. Therapeutisches Reiten lässt sich in drei Teilbereiche gliedern: Hippotherapie, heilpädagogisches Reiten und Voltigieren sowie Behindertenreitsport. Beim heilpädagogischen Reiten und Voltigieren tritt das Pferd als Medium zur Förderung, Erziehung und Verhaltensänderung von Kindern und Jugendlichen auf. Kinder erfahren durch die unmittelbaren Reaktionen der Tiere die Folgen ihres Verhaltens bewusst. Die Erfahrung wird genutzt, dass Kinder und Jugendliche Pferde als unvoreingenommene Gefährten akzeptieren und ihr Benehmen ändern, wenn das Tier ihnen Grenzen aufzeigt. Ein Pädagoge mit Zusatzausbildung tritt als Vermittler zwischen Mensch und Tier auf und erklärt das Verhalten des Pferdes. Die positive Auswirkung auf das Sozialverhalten, auf die Bewegungsschulung, auf das Selbstwertgefühl und eine wirklichkeitsnahe Selbsteinschätzung ist nachgewiesen. Was ist Du-Evidenz? Martin Buber erkennt in seinem Werk „Das dialogische Prinzip“, dass jeder Mensch sich in eine Beziehung zur Natur begeben kann, die von Sprache befreit ist. Er beschreibt, wie er mit einer Katze Blickkontakt aufnahm und letztlich eine Reaktion in ihren Augen abzulesen vermochte. Er kommentierte diesen Blick der Katze mit den Worten: „Meinst Du mich wirklich?“ Dieser kurze Moment stellt für Buber den Wechsel von der Es-Welt in die Du-Welt dar, in der die Sache zum individuellen Gegenüber wird. „Du-Evidenz“ bedeutet im Rahmen unseres Themas, dass Menschen und höhere Tiere miteinander Beziehungen knüpfen können. Entscheidend ist dabei das subjektive Erleben, dass es sich bei der Beziehung um eine Art Partnerschaft handelt. Dies ist die erforderliche Voraussetzung dafür, dass Tiere therapeutisch und pädagogisch helfen können.

Die Mensch-Tier-Beziehung im Allgemeinen

Der Mensch wählt als Heimtiere solche Tiere aus, in deren Körpersprache bzw. Ausdruck von Furcht, Wut, Neugierde oder Freude er sich wiederzuerkennen glaubt. Darum eignen sich sozial lebende Tiere besonders gut zum Aufbau einer Du- Beziehung. Menschen geben ihren Tieren Namen, machen sie damit zu etwas Besonderem, heben es aus der Masse seiner Artgenossen hervor, machen es zum Individuum, zu einem Familienmitglied. Laut Martin Rütter , Deutschlands wohl bekanntesten Hundetrainer, gibt es Hundebesitzer, die sich wechselseitig nur über ihren Hund erkennen („Hallo Frauchen von Linux“). Menschen fühlen sich zu den Tieren besonders hingezogen, zu denen eine Art der Kommunikation möglich ist, nämlich das Verstehen ohne Worte. Dabei werden Stimmungen nonverbal signalisiert. Gesten, Blicke, Bewegungen und Berührungen, aber auch die Stimmmodulation und der Sprachrhythmus sind dafür entscheidend. Watzlawik hat dies analoge Kommunikation genannt. Sie bringt eine besondere Bezogenheit zum Ausdruck. Hiervon setzt sich die digitale Kommunikation ab, die durch verbale Sprache getragen ist und keine Beziehungen, sondern Inhalte transportiert. Das Bedeutsame an der analogen Kommunikation ist ihr hoher unbewusster Anteil, der kaum zu verfälschen ist. Einem Tier kann und muss man nichts vormachen. Ein Tier fühlt z.B. die Niedergeschlagenheit seines Herrn, wenn der etwas einstecken musste, aber es kennt ihn nicht als Versager.

Anfänge der Erforschung der Mensch-Tier-Beziehung

Tiere werden schon seit langem in die Behandlung von Menschen einbezogen. Hier einige Beispiele: 1792 Der Quäker William Tuke gründete den York Retreat in England für Geisteskranke. Hier sollten „Geisteskranke“ durch Gartenpflege und Tierhaltung eine Alternative zu den sonst üblichen strafähnlichen Methoden der Betreuung erleben. Ende des 19. Jahrhunderts wurde das Behandlungszentrum für Epileptiker in Bethel gegründet, in dem Tiere eine bedeutende Rolle spielten. In den 80er Jahren umfasste das Angebot Reittherapie, Hunde, Katzen, Vögel usw. 1942 wurde im Pawling Army Airforce Convalescent Hospital in New York erstmals der Einsatz von Tieren dokumentiert. Inmitten von Vieh, Pferden und Geflügel kurierten Kriegsveteranen ihre körperlichen und seelischen Verletzungen aus.

Wissenschaftliche Erforschung

Trotz der subjektiv erfahrbaren Wirkung von Tieren, kam es in den Anfängen aber eher zufällig zu einer gezielteren Untersuchung der Effekte. Auch hierfür einige Beispiele: Der Psychologe Boris Levinson der als Vorreiter wissenschaftlicher Studien über den Einsatz von Tieren in der Therapie gilt, wurde in den 60er Jahren durch einen kindlichen Patienten darauf gebracht, dass Tiere als Katalysator für menschliche Interaktionen wirken können: Er hatte beobachtet, dass ein zuvor erfolglos behandelter Junge auf die stürmische Begrüßung seines Hundes nicht ängstlich reagierte, sondern das Tier drückte und streichelte. Der Junge erklärte Levinson, dass wiederkommen wolle, um mit dem Hund zu spielen. Nach einigen Sitzungen wurde Levinson dann in das Spiel einbezogen. Es entwickelte sich eine gute Arbeitsbeziehung, an deren Ende die Rehabilitation des Jungen stand Levinson, Boris M.: The dog as a „co-therapist”. In: Mental Hygiene 46 (1962) 1, 59- 65. Den ersten Versuch einer systematischen Studie zum Einsatz von Tieren in einer psychotherapeutischen Klinik machten 1977 Samuel und Elizabeth Corson Corson, Samuel A./Corson, Elizabeth O’L./Gwynne, Peter H./Arnold, L. Eugene: Pet dogs as nonverbal communication links in hospital psychiatry. In: Comprehensive Psychiatry 18 (1977) 1, 61-72 , die eigentlich das Verhalten der Hunde untersuchen wollten und dafür auf dem Klinikgelände Zwinger einrichteten. Aus dem auffälligen Interesse der Patienten entstand dann ein Forschungsprojekt, mit dem die Corsons die Effektivität tiergestützter Psychotherapie herauszufinden suchten. Sie stellten Begegnungen zwischen Patienten und Hunden in der Station her und fast alle der Patienten profitierten davon. Es kam zu verbessertem Sozialkontakt und die Corsons stellten fest: mit der Interaktion zwischen Patienten, Tieren und Therapeuten breite sich ein sich erweiternder Kreis aus Wärme und Zustimmung aus. Sie erklärten das damit, dass Kinder und Jugendliche bereit sind, Tieren Vertrauen entgegenzubringen, da sie entweder noch keine oder sogar positive Erfahrungen mit ihnen gemacht haben. Sie würden beim Umgang mit den Hunden Sicherheit fühlen, da diese einen untergeordneten Status haben. In einer Studie von Friedmann, Katcher, Lynch und Thomas Friedmann, Erika/Katcher, Aaron H./Lynch, James J./Thomas, Sue A.: Animal companions and one-year survival of patients after discharge from a coronary care unit. In: Public Health Reports 95 (1980) 4, 307-312 (1980) an Herzinfarktpatienten wurde wiederum durch Zufall ein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Besitz von Haustieren und dem Überleben innerhalb eines Jahres nach dem Infarkt erkennbar. Die Ergebnisse aus den Beobachtungen und Studien legen die Vermutung nahe, dass der höchste therapeutische Nutzen, der sich aus der Gesellschaft von Tieren ziehen lässt, sich aus der besonderen Art von Beziehungen ergibt, die wir zu ihnen haben. Kritik Der Nachteil vieler der früheren Untersuchungen besteht darin, dass sie kein hinreichendes experimentelles Design aufweisen. Selbst bei den wegweisenden Arbeiten Levinsons und der Corsons handelte es sich ja um Beobachtungen und Fallberichte. Und als Kritik an den Studien wird auch immer wieder angeführt, dass die engagierten Forscher dazu neigen, fest an die therapeutische Wirksamkeit von Tieren zu glauben. Man muss also derzeit vermutlich noch davon ausgehen, dass die therapeutische Wirkung von Tieren trotz aller positiver Erfahrung noch nicht wissenschaftlich abgesichert ist. Aber mit Fug und Recht darf man manchen wissenschaftlich Anspruch auch in Frage stellen, so wie es Konrad Lorenz tat, der 1983 schrieb: „Nachweisen können wir nur das, was die Natur unserer intuitiven Wahrnehmung offenbart hat. ... Wer nur das Experiment als Wissensquelle anerkennt, macht sich eines sträflichen Hochmuts schuldig. Er bekennt sich nämlich zu dem frevelhaften Glauben, alle Fragen zu kennen, die man an die Natur stellen kann.“

Beobachtungen in der Mensch-Tier-Beziehung

Beispiele von Auswirkungen von Begegnungen mit Tieren Bardill und Hutchinson beschrieben 1997 Bardill, Norine/Hutchinson, Sally: Animal-assisted therapy with hospitalized adolescents. In: Journal of Child and Adolescent Psychiatric Nursing 10 (1997) 1, 17-24 die Wirkung eines permanent in einer psychiatrischen Einrichtung für Jugendliche lebenden Cocker Spaniels auf Patienten zwischen elf und achtzehn Jahren. Die Patienten schilderten das Umfeld familiärer und freundlicher. Ängstliche Jugendliche berichteten von einem Gewinn an Sicherheitsgefühl und beruhigender Wirkung in angespannten Situationen. Der Hund wurde als Freund beschrieben, den man berühren darf und der immer zuhört. Jugendliche, die ihm Kunststücke beibrachten, berichteten mit Stolz davon. De Patienten lernten vom Hund, wie man soziale Kontakte knüpft. Die scharf ausgeprägten Sinne des Hundes bewirkten, dass er oft zur Stelle war, wenn er gebraucht wurde. Er alarmierte Mitarbeiter der Klinik bei Bedarf. Vergleichbare Ergebnisse erzielten die Universitätsklinik Zürich und die psychiatrischen Akutstation des Zentrums für Psychiatrie Weissenau in Ravensburg mit ihren „Therapiehunden“. Der E-Mailkontakt mit der Uni-KLinik Zürich hat mir im Übrigen beim Einstieg in die Arbeit mit Bingo sehr geholfen. Viele Untersuchungen sprechen dafür, dass ältere Menschen durch Tierbesuchsdienste an sozialer Potenz gewinnen oder zurückgewinnen. Ihre Interaktionsbereitschaft mit anderen Menschen nimmt zu und Hemmungen werden abgebaut. Erika Friedmann belegte 1983 mit einer Studie, dass in Gegenwart eines Hundes Puls und Blutdruck von Kindern und Jugendlichen deutlich absank Friedmann, Erika/Katcher, Aaron H./Thomas, Sue A./Lynch, James, J./Messent, Peter R.: Social interaction and blood pressure. Influence of animal companions. In: Journal of Nervous and Mental Disease 171 (1983) 8, 461-465 Wilson, Cindy C.: The Pet as an anxiolytic intervention. In: Journal of Nervous and Mental Disease 179 (1991) 8, 482-489. Sie erklärte dies damit, dass der Testleiter in Gegenwart des Hundes weniger bedrohlich auf die Kinder und Jugendlichen wirkte. Möglicherweise war der Testleiter selbst in Anwesenheit des Hundes ruhiger, was sich auf die Probanden übertrug. Diese Wirkung des Hundes ist interessant für die Psychotherapie, da die Studie nahe legt, dass Klienten bei Anwesenheit eines Hundes mit weniger Angst und Unsicherheit die Behandlung antreten können. Studien von Wilson 1987 und 1991 zeigten, dass die Anwesenheit von Tieren bei Studenten einen entspannenden, angstreduzierenden Effekt hat Wilson, Cindy C.: The Pet as an anxiolytic intervention. In: Journal of Nervous and Mental Disease 179 (1991) 8, 482-489. Limond und ihre Co-Autoren überprüften 1997 das Verhalten von Kindern mit Down-Syndrom bei der Interaktion mit einem „Therapiehund“ Limond, Jennifer A./Bradshaw, John W. S./Cormack, K. F. Magnus: Behavior of children with learning disabilities interacting with a therapy dog. In: Anthrozoös 10 (1997) 2/3, 84-89. Es gab einen lebendigen Therapiehund und eine Hundeattrappe derselben Farbe, Größe und Erscheinung. Die Forscher stellten fest, dass die Kinder die Hunde länger anschauten als alle anderen Gegenstände im Raum. Dabei verweilten die Blicke signifikant länger auf dem echten Hund als auf der Attrappe. War die Hundeattrappe im Raum, wurde der Hundeführer häufiger ignoriert als beim realen Hund. Die Kinder gaben signifikant häufiger auf die Situation bezogene Antworten, wenn Fragen des Erwachsenen den realen Hund betrafen. Beispiele von Tieren als pädagogisch-therapeutische Helfer „Der junge Mensch braucht seinesgleichen - nämlich Tiere, überhaupt Elementares, Wasser, Dreck, Gebüsche, Spielraum. Man kann Ihn auch ohne das alles aufwachsen lassen, mit Teppichen, Stofftieren oder auch auf asphaltierten Straßen und Höfen. Er überlebt es, doch man soll sich dann nicht wundern, wenn er später bestimmte soziale Grundleistungen nie mehr erlernt.“ Alexander Mitscherlich Erfahrungsberichte zeigen, dass Kinder in der Internatserziehung mit Hilfe eines Tieres die Trennung von der Familie besser verarbeiten können. Tiere werden in heilpädagogischen Einrichtungen zu erzieherischen Zwecken eingesetzt, z. B. bei der Erziehung zu Verantwortung. Tiere werden von Kindern als Vertraute wahrgenommen, denen Sorgen und Nöte jederzeit und ohne Bedenken mitgeteilt werden können. Wenn Kinder nachts ängstlich sind und Schlafprobleme haben, kann ein Tier als Wächter und Beschützer dienen. Außerdem können Tiere Kindern dabei helfen, ein positives Selbstbild zu entwickeln. Kontakte zu anderen Kindern lassen sich mit der Hilfe von Tieren leichter knüpfen. Kupper-Heilmann und Kleemann berichten 1999, dass sich der Umgang mit Pferden sehr gut dazu eignet, verhaltensauffälligen Kindern alternative emotionale Erfahrungen zu ermöglichen (Kupper-Heilmann, Susanne: Getragenwerden und Einflußnehmen. Aus der Praxis des psychoanalytisch orientierten heilpädagogischen Reitens. In Zusammenarbeit mit Christian Büttner. Gießen: Psychosozial-Verlag 1999). Sie würden spüren, dass sie unabhängig von ihrem Verhalten in einer Beziehung ausgehalten werden. Außerdem erlebten Kinder und Jugendlichen, dass sie das Tier beim Reiten und im alltäglichen Umgang beeinflussen können. Auf diese Weise könnten Ohnmachtgefühle abgebaut werden. Beispiele von Tieren in der Therapie Angela Brüch berichtete 1988 in „Ein Hund und ein Kater in der Kinderpsychotherapie“ Zeitschrift für Individualpsychologie, 1988, 13, 264-273 über ihre Erfahrungen mit ihrem Familienhund und ihrer Katze in der Kinderpsychotherapie. Ihre Patienten treffen bereits beim ersten Besuch auf die Tiere. Frau Brüch beschreibt, dass die Kinder dadurch die Angst vor der Behandlung verlieren. Positive Erfahrungen mit den Tieren würden die Kinder auf die Psychotherapeutin übertragen und Vertrauen fassen. Barker und Dawson untersuchten Patienten einer psychiatrischen Klinik, ob bei ihnen AAT-Gruppensitzungen Angst reduzierend wirken und ob bei Personen mit verschiedenen Diagnosen unterschiedliche Werte feststellbar sind Barker, Sandra B./Dawson, Kathryn S.: The effects of animal-assisted therapy on anxiety ratings of hospitalized psychiatric patients. In: Psychiatric Services 49 (1998) 6, 797-801. Das Angstniveau der Patienten differierte bei verschiedenen Krankheitsbildern. Die tiergestützte Therapiesitzung reduzierte die Ängste von Personen mit psychotischen Störungen, Stimmungsstörungen sowie diversen anderen Störungen. Bei Erstgenannten war die Angst mindernde Wirkung der AAT-Sitzung doppelt so hoch wie in einer Kontrollsituation. Als mögliche Erklärung führten die Autorinnen an, der Hund stelle in Angst auslösenden Situationen eine Ablenkung dar. Ein Grund für die Abnahme der Angst bei den Patienten könne auch der physische Kontakt mit dem Tier sein. Für eine Studie über langfristige Effekte durch AAT mit Delfinen befragte Nathanson 1998 die Eltern von Kindern mit schweren geistigen Behinderungen über ihre Erfahrungen Nathanson, David E.: Long-term effectiveness of dolphin-assisted therapy for children with severe disabilities. In: Anthrozoös 11 (1998) 1, 22-32. Alle Kinder hatten neun bzw. siebzehn Therapiesitzungen mit einem Delfin innerhalb von einer oder zwei Wochen hinter sich, die jedoch schon mindestens ein Jahr zurücklagen. Besonders soziale Verhaltensweisen, wie z. B. das Spielen mit anderen Kindern oder das Aufnehmen von Blickkontakt hatten sich verbessert und die Effekte hielten an. Die Eltern berichteten, dass erreichte Fortschritte in Bezug auf eine längeren Aufmerksamkeitsspanne, sprachliche Verbesserungen oder eine vermehrte Aufnahmebereitschaft für Bemühungen anderer Therapieformen andauerten. Damit stellte sich selbst eine nur ein- oder zweiwöchige Dauer der therapeutischen Behandlung mit Hilfe von Delfinen als äußerst effektiv heraus. Intensiv mit der Wirkung von delphingestützter Therapie beschäftigt sich Rolf Oerter, der die positiven psychologischen Wirkungen für nachgewiesen hält Oerter, Rolf: Delphintherapie im Kontext der Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit Entwicklungsstörungen. Bericht über das Internationale Symposium in München 2003.. Nathanson beschreibt das Therapiekonzept der DHT folgendermassen: Wenn wir möchten, dass ein Kind spricht, und das Kind möchte nicht sprechen, müssen wir seine Aufmerksamkeit bekommen und es mit Hilfe des Delphins dazu bringen, den Wunsch zu sprechen in sich zu verspüren. Wir müssen das Kind dazu bringen, es einmal zu tun und dann dieses Verhalten positiv verstärken, so dass es immer wieder den Wunsch danach verspürt, zu sprechen. “ DHT soll hauptsächlich am Aufmerksamkeitsdefizit ansetzen und mit natürlichen Mitteln die Aufmerksamkeit behinderter Kinder steigern. Warmes Wasser und Tiere sollen dazu als Stimulanzien dienen. Der Delphin stellt also die Motivation dar, mit dem Therapeuten zusammen zu arbeiten. Nathanson sagte von seiner Arbeit: „In den Medien wird unser Therapieprogramm oft als Wundertherapie dargestellt, was es nicht ist. (...) Wir können den Kindern mit den unterschiedlichsten Erkrankungen sehr viel helfen, aber wir können sie nicht heilen.

Auf welche Wirkfaktoren lassen die Untersuchungen schließen?

Physiologische Effekte Physiologisch wirken sich Tiere vor allem auf das Herz-Kreislauf-System günstig aus, aber auch auf den allgemeinen Gesundheitszustand. Die positiven Effekte sind dabei nicht an den Tierbesitz gebunden auch kurzfristige Kontakte zu gutmütigen fremden Tieren bringen physiologische Veränderungen mit sich. Die Einstellung, die Menschen gegenüber Tieren haben, beeinflusst die stressabwehrende Wirkung noch differenziert: Der Blutdruck sinkt bei den Personen deutlicher, die Tieren gegenüber positiv gestimmt sind. Interagierten die Probanden mit den Tieren, ließen sich wesentlich weniger Indikatoren von Stress nachweisen als bei der Interaktion mit Menschen. Psychische Effekte Tiere können durch ihre bloße Anwesenheit Gefühle der Einsamkeit verdrängen Smet, Simone Denise de: Die Bedeutung des Haustieres für den älteren Menschen. In: Ergotherapie und Rehabilitation 32 (1993) 1, 10-15 . Sie können emotionale Lücken, z. B. durch den Verlust eines nahen Angehörigen, füllen. Die Verantwortung, die man für ein Tier übernommen hat, kann Menschen vom Suizid abhalten. Diese Verantwortung wirkt vor allem auf ältere Menschen stabilisierend, da sie den Tagesablauf strukturiert. Nach großen Aufregungen helfen Tiere den Menschen, sich wieder zu beruhigen. Tierische Gefährten sind in der Lage, Spannungen zu vermindern oder gar aufzulösen. Besonders in Krisensituationen schätzen Menschen die Anwesenheit von Tieren, da sie Anteil nehmen und die Regeneration nach psychischen Belastungen fördern. Soziale Effekte In Familien können Tiere den Zusammenhalt intensivieren. Tiere erleichtern die Kontaktaufnahme zu anderen Menschen, da sie immer ein geeignetes Gesprächsthema bieten. Auf diese Weise tragen sie dazu bei, das soziale Netzwerk ihrer Besitzer auszuweiten. Wenn Menschen unter Einsamkeit leiden, sei es aufgrund des Alters oder wegen einer schweren Krankheit, bietet sich das Tier selbst als Sozialpartner an. Dadurch, dass Tiere die Aufmerksamkeit auf sich ziehen und für Ablenkung sorgen, bringen sie den Menschen unmittelbar in einen physiologischen Zustand der Entspannung Serpell, James A.: Animal companions and human well-being: An historical exploration of the value of human-animal relationships. In: Fine, Aubrey H. (Hrsg.): Handbook on Animal-Assisted Therapy. Theoretical Foundations and Guidelines for Practice. San Diego: Academic Press 2000, 3- 19.

Über welche „Mechanismen“ wirkt der Tier-Mensch-Kontakt?

McCulloch meinte 1983, dass Tiere Menschen zum Lachen und Spielen anregten und damit Einfluss auf den neuro-endokrinen Regelmechanismus nähmen McCulloch, Michael J.: The Pet as Prothesis: Defining Criteria for the Adjunctive Use of Companion Animals in the Treatment of the Medically Ill, Depressed Outpatients. In: Fogle, Bruce (Hrsg.): Interrelations Between Pets and People. Springfield, Illinois 1981, 101-123. Damit würde das interne Opiatsystem angeregt. Er kann sich auf Studien über psychologische und physiologische Zusammenhänge berufen, die belegen dass Gelächter kurzfristig ‚arousal’ beliebigen Ursprungs reduzieren kann. Gelächter kann nicht nur physischen Schmerzabbau und Schmerzlinderung bewirken, sondern auch die Empfindung von Euphorie. Weil Haustiere eine Quelle für Humor, Gelächter und Spiel im Leben von Menschen sind, hat dieser kausale neuroendokrine Pfad durchaus etwas für sich. Tiere tragen dazu bei, Menschen zur Ruhe kommen zu lassen. Dies gilt besonders für Berührungen zwischen Tier und Mensch, die ohne Blickkontakt erfolgen und beide einander ihre ungeteilte Aufmerksamkeit zuwenden. Solch ein Körperkontakt entsteht beispielsweise beim Streicheln und Tätscheln. Bei Menschen und Tier entsteht ein entspannter, ruhiger Zustand, in dem die Aufmerksamkeit auf kein bestimmtes Ziel gerichtet werden muss (Katcher 1981 Katcher, Aaron H.: Interactions between people and their pets: Form and function. In: Fogle, Bruce (Hrsg.): Interrelations Between Pets and People. Springfield, Illinois: Charles C. Thomas Publisher 1981, 41-67). Tierhalter können durch ihre Tiere leicht Kontakt zu anderen Personen knüpfen. Das sich vergrößernde soziale Netzwerk, in das Tierhalter eingebunden sind, bietet Rückhalt und soziale Unterstützung, was sich letztendlich positiv auf die Gesundheit des Tierhalters auswirkt. Die gesundheitsförderliche Wirkung von Hunden resultiert aus der vermehrten Bewegung, wodurch kardiovaskuläre Risikofaktoren gesenkt werden können. Haustiere regen ihre Besitzer dazu an, über vergangene Erfahrungen nachzudenken und über sie zu sprechen. Das Zurückdenken an lustige Erlebnisse mit Tieren hilft besonders alten und depressiven Menschen, positiver in die Zukunft zu schauen. Erinnern stelle „ein wichtiges Werkzeug zur erfolgreichen Anpassung an das Alter“ (McCulloch 1983b, 30) dar.

Therapeutische Wirkfaktoren aus der Mensch-Tier-Beziehung

Erklärungsansätze Levinson als Vertreter eines tiefenpsychologischen Ansatzes meinte, ebenso wie Mitscherlich: Eine gesunde Gefühlswelt entstehe nur durch die Verbindung zur belebten und unbelebten Natur, welche sehr gut durch Tiere vermittelt werde. Bei der therapeutischen Behandlung fungiere das Tier als Brücke zwischen Arzt und Patienten, vor allem, wenn es sich um Kinder handelte. Kinder identifizierten sich leicht mit Tieren und es entsteht eine Verbindung ohne Angst. Danach falle es ihnen leichter, diese Beziehung auf den Therapeuten und später auf andere Menschen zu übertragen. Einen lernpsychologischen Erklärungsansatz vertritt der Psychologe Brickel Brickel, Clark M.: Pet-facilitated therapies: A review of the literature and clinical implementation considerations. In: Clinical Gerontologist 5 (1986) 3/4, 309-332. Er meint, dass die Begegnung mit Tieren als belohnend empfunden wird. Dies lässt sich durch Studien des Ehepaars Corson festigen, die Tiere als Belohnung einsetzten, wenn Patienten ein erwünschtes Verhalten zeigten. Auch beim Versuch, unerwünschtes Verhalten, z. B. Ängste und Phobien zu löschen, waren Tiere hilfreich. Sie lenken Menschen ab, eine Angstreaktion wird schwächer und schließlich gelöscht. Die Biophilie-Hypothese geht in ihrer Grundthese davon aus, das Interesse an Lebendem sei angeboren. Tiere sind interessant, weil der Mensch aus ihrem Verhalten Informationen über seine Umwelt ableiten kann, die für das Überleben von Bedeutung sind. Tiere besitzen z.B. schärfere Sinne als der Mensch und reagieren bei drohender Gefahr. Aus diesem Grund können sich Menschen in der Gegenwart von ruhigen Tieren sicher fühlen. Dies würde auch erklären, warum sich Menschen z. B. beim Betrachten der Fische in einem Aquarium entspannen. Lebendigkeit und Bewegung von Tieren sind sehr geeignet, Kinder zu interessieren. Hierdurch kann sich eine emotionale Verbindung entwickeln, die Kinder dazu anregt, ihrer Umwelt Bedeutung beizumessen. Die Untersuchungen an Kindern mit Down-Syndrom, die einen echten Hund bevorzugten, hat dies eindrucksvoll belegt. Tiere erleichtern den ersten Kontakt zwischen einander fremden Menschen und helfen eine vertrauensvolle Beziehung aufzubauen. Sie fördern auch die weitere Entwicklung sozialer Beziehungen. Sie bieten sich auch selbst als Sozialpartner an. Tiere regen zu geistiger Aktivität an. Sie erhöhen bei alten Menschen die Reaktionsbereitschaft und Aufmerksamkeit. Sie liefern Anlass, über die Vergangenheit nachzudenken und zu sprechen und so die Erinnerung aufzufrischen. Bei Menschen jeden Alters sind Tiere in der Lage, Motivation hervorzurufen und die Bereitschaft zu fördern, Neues zu lernen. Tiergestützte Therapieformen können bei „Therapiemüden“ neue Motivation wecken. Tiere geben eine Aufgabe. Tierhalter übernehmen Verantwortung. Sie müssen ihre Verpflichtungen gegenüber dem Tier erfüllen, auch wenn ihnen nicht gut geht. Ich danke Ihnen für ihre Aufmerksamkeit.
Bei diesem Text handelt es sich um einen Vortrag und gleichzeitig ein Info-Blatt für eine Einrichtung, die für den Einsatz eines Therapiehundes gewonnen werden sollte. Und mit diesem Text löst sich das Rätsel meines Fuches auf. Er steht für mich als Symbol einer Haltung, in anderen Lebewesen ein Gegenüber zu sehen, dem Respekt entgegenzubringen ist. Jeder Fuchs, jeder Hund, jede Kuh ... haben den Willen zu leben. Wenn wir nur hinschauen, werden wir erkennen: viele Tiere erleben Beziehung als wichtig, bieten sie uns an. Und dieses Angebot ist ungeheuer wertvoll.
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