Klaus Walter Coaching und Supervision
Bingo: Therapeut auf vier Pfoten
Überarbeitet Juli 2021
Ich
möchte
in
meinem
Vortrag
am
praktischen
Beispiel
mit
einigen
theoretischen
Begleiterscheinungen
darstellen,
dass
ein
gut
erzogener
Hund
mit
dem
richtigen Wesen eine enorme Bereicherung für den Einsatz in der Psychotherapie mit psychisch kranken und seelisch belasteten jungen Menschen sein kann.
Ich
habe
lange
in
den
Sozialpädagogischen
und
Therapeutischen
Wohngruppen
der
diakonischen
Einrichtung
Stephansstift
gearbeitet.
Zum
Stephansstift
gehörte
ich
seit
1981.
Die
Sozialpädagogischen
und
Therapeutischen
Wohngruppen
waren
ein
Bestandteil
des
Jugendhilfezweiges.
Die
jungen
Menschen,
die
wir
betreuten,
waren
zwischen
10
und
20
Jahren
alt.
Zur
Jugendhilfe
des
Stephansstiftes
gehörte
ein
Psychologisch-Therapeutischer
Fachdienst
mit
einem
hoch
qualifizierten
Team
aus
7
approbierten
Psychologischen
und
Kinder-
und
Jugendlichentherapeuten
mit
verschiedenster
Ausbildung
in
den
Richtlinienpsychotherapien
und
in
so
genannten
Zweitverfahren.
Unsere
praktische
therapeutische
Arbeit
hatten
wir
an
die
Bedingungen
der
Jugendhilfe
adaptiert
und
dazu
gehörten
auch
experimentelle
Ansätze.
Meine
Klientel
wies
eine
sehr
differenzierte
Problematik
auf,
wobei
mir
damals
am
meisten
die
Traumatisierungen
und
der
hohe
Anteil
an
narzisstischer
Problematik
auffielen.
Die
meisten
der
Jungen
und
Mädchen
waren
in
ihrer
psychischen
Struktur
schwach
und
in
ihrer
Affektregulation
gestört.
Viele
„medikamentierten“
sich
selbst
mit
Drogen,
zeigten
dissoziale
oder
auch
selbstverletzende
Verhaltensweisen.
Ich
hatte
meine
Arbeit
in
der
Jugendhilfe
mit
verhaltenstherapeutischen
Ansätzen
begonnen.
Ich
musste
aber
bald
erkennen,
dass
sich
Verhaltenstherapie
in
dieser
Umgebung
zwar
mit
verschiedenen
Trainingsformen
eignet,
die
die
Pädagogen
auch
als
Mediatoren
durchführen
konnten,
dass
aber
für
eine
weitergehende
therapeutische
Arbeit
mit
diesem
Ansatz
meist
die
erforderliche
Disziplin
und
Aufmerksamkeit
bei
den
jungen
Menschen
fehlte.
So
waren
z.B.
bei
Angsterkrankungen
kaum
die
nötigen
Ratings
für
eine
Angstskala
zu
erheben
und
die
Desensibilisierungsprogramme
wurde
immer
wieder
mit
eigenwilligem
Verhalten
unterlaufen.
Zumeist
waren
die
Probleme
auch
aus
Entwicklungsverzögerungen,
inneren
Konflikten
und
Traumatisierungen
zusammengesetzt,
so
dass
die
Therapie
sich
auch
aus
Anteilen
von
gezielter
Förderung,
pädagogischen
Interventionen,
alternativer
Beziehungserfahrung
und
Erlebnisverarbeitung
zusammensetzen
musste.
Ich
suchte
darum
nach
einer
erlebnisnäheren,
kommunikativeren
Form
der
Therapie
und
sah
dies
mit
der
Gestalttherapie
gegeben,
mit
der
ich
auch
kindgerechtere,
spielerische
Elemente
und
Beziehungsarbeit
in
die
Behandlung
einfließen
lassen
konnte.
Besonders
die
Ansätze
von
Violet
Oaklander
hatten
es
mir
angetan,
als
ich
meine
Ausbildung
1985
begann.
Nach
einer
Ergänzung
dieses
Ansatzes
durch
körperorientierte
Therapieformen
und
tiefenpsychologisch
fundierter
Psychotherapie
gewann
ich
dann
mit
der
Weiterbildung
in
Psychoanalyse
einen
hervorragenden
Bezugsrahmen
zum
Begreifen
der
Psychodynamik
der
Störungsbilder
und
eine
deutliche
Stärkung
meiner
Arbeitsfähigkeit
in
der
Übertragung.
Was
mir
bei
all
diesen
Ansätzen
aber
immer
wieder
zu
kurz
kam,
war
eine
hinreichend
gute
Möglichkeit,
die
Aufmerksamkeit
meiner
jugendlichen
Patienten
auf
den
gegenwärtigen
Prozess,
auf
das
Hier-und-Jetzt
und
die
Beziehungsentwicklung
zu
steigern
oder
überhaupt erst anzuregen.
Natürlich
habe
ich
meinen
Therapieraum
auch
immer
mit
kind-
und
jugendlichengerechten
Anreizen
ausgestattet
gehabt,
die
gerne
genutzt
wurden.
Aber
ich
habe
auch
immer
wieder
feststellen
müssen,
dass
diese
üblichen
Anreize
mit
elektronischem
Spielzeug
nicht
konkurrieren
können
und
darum
oft
minder
bewertet
werden.
Versuche
mit
dem
Einsatz
von
Computern
gab
ich
rasch
wieder
auf,
weil
die
Beschäftigung
damit
nicht
zu
einer
akzeptablen
Beziehungsanbahnung
führte.
Die
Erfahrungen
haben
mir
insgesamt
bestätigt,
dass
elektronisches
Spielzeug
im
Sinne
eines
Suchtmittels
auch
als
Widerstand gegen Bewusstwerden und Veränderung eingesetzt wird, so dass ich es für den therapeutischen Einsatz ausscheide.
In
meiner
ersten
Jugendhilfeeinrichtung,
die
noch
in
einer
ländlichen
Umgebung
angesiedelt
war,
waren
bis
kurz
vor
meinem
Eintritt
noch
Tiere
gehalten
worden.
Die
Ställe
und
Gatter
waren
noch
vorhanden
und
ich
hörte,
wie
die
Pädagogen
bedauerten,
dass
die
Esel,
Schafe,
Kaninchen
und
das
Federvieh
abgeschafft
werden
mussten,
weil
sie
von
Jungen
gequält
worden
waren.
Bedauert
wurde
dies
insbesondere,
weil
es
„immer
wieder
die
Gleichen“
gewesen
seien,
die
andere
angestiftet
oder
den
anderen
Jungen
damit
die
Freude
am
Umgang
mit
Tieren
genommen
hätten
und
natürlich
auch
meinen
erziehenden
Kollegen und Kolleginnen.
Ein
paar
Jahre
später
wurde
ich
beratend
zuständig
für
eine
ländliche,
heilpädagogisch
orientierte
Jugendwohngemeinschaft,
die
sich
in
eine
kleine
dörfliche
Gemeinschaft
integriert
hatte.
Zum
Konzept
gehörte,
dass
man
sich
aus
dem
eigenen
Garten
und
dem
eigenen
Stall
mitversorgte.
Zentral
in
der
„guten
Stube“,
zu
der
man
nach
getaner
Arbeit
Zugang
hatte,
war
ein
sehr
schönes
und
großes
Aquarium,
das
von
Jugendlichen
und
Pädagogen
gemeinsam
gepflegt
wurde.
In
dieser
Wohngemeinschaft
fiel
mir
auf,
wie
die
Versorgung
der
Tiere
das
Verantwortungsgefühl
der
Jugendlichen
steigerte
und
sie
den
Zusammenhang
von
eigener
Leistung
und
Ertrag
gut
erleben
konnten.
Ohne
eine
gute
Versorgung
der
Hühner,
ohne
dass
sie
abends
in
den
Stall
gesperrt
wurden,
gab
es
am
nächsten
Morgen
kein
Ei.
Und
für
die
über
das
Jahr
gemästeten
und
zum
Advent
geschlachteten
Gänse
gab
es
von
den
Nachbarn
neben
Geld,
auch
Anerkennung
und
kleinere
Zuwendungen.
Im
Grunde
war
ich
also
durch
meine
berufliche
Jugendhilfesozialisation
bereits
auf
eine
tierische
Spur
gebracht
worden, als ich Bingo kennen lernte.
Mein
Hund
Bingo
war
ein
Malamut-Collie-Mischling.
Er
arbeitete
in
seinen
15
Lebensjahren
sehr
lange
in
seiner
Funktion
als
„Co-Therapeut“
oder
therapeutische
Stütze
mit
mir
zusammen.
Ich
nahm
ihn
nicht
in
jede
Behandlung
mit,
sondern
wählte
die
Jugendlichen
aus,
mit
denen
ich
eine
tiergestützte
Therapie
begann.
Zu
den
Auswahlkriterien
möchte
ich
später
noch
kommen.
Bingo
war
also
nur
tageweise
im
Psychologischen
Dienst
des
Stephansstiftes vertreten.
Trotz
meiner
Vorerfahrungen
war
sein
beruflicher
Einsatz
eigentlich
nicht
geplant,
als
er
als
Welpe
aus
meiner
Zweierbeziehung
eine
Familie
machte.
Auf
den
Gedanken
brachte
mich
erst
sein
bemerkenswertes
Wesen
und
seine
Lernfreudigkeit,
die
er
mit
Kunststücken
und
als
Zughund
vor
dem
Sulky
demonstrierte.
Viele
Hundebesitzer
unserer
Umgebung
reagierten
verblüfft
auf
seine
Fähigkeiten,
auf
verbale
Befehle
zu
reagieren.
Links
und
rechts
zu
unterscheiden,
auf
Befehl
nach
etwas
zu
suchen,
in
jedem
Kontext
ein
„nein“
als
Aufforderung
zu
verstehen,
die
gerade
ausgeführte
Handlung
zu
unterlassen,
schien
für
ihn
problemlos
möglich.
Als
die
Idee
aufkam,
ihn
in
unserem
Beruf
einzusetzen,
setzte
ich
mich
sehr
intensiv
mit
Hundecharakteren
auseinander
und
erzog
ihn
gezielter.
Leider
war
es
zu
jener
Zeit
noch
nicht
weit
verbreitet,
Hunde
in
die
pädagogisch-
therapeutische
Arbeit
einzubeziehen,
so
dass
ich
nur
über
Internetkontakte
speziellere
Unterstützung
fand.
Aber
ich
lernte
auch
hochinteressierte
und
hilfsbereite Hundetrainer kennen. Heute bietet u.a. die Universität Basel sogar einen zertifizierten S
tudiengang für tiergestützte Therapie
an.
Bingo
vereinigte
durch
seine
Anteile
des
nordischen
Schlittenhundes
die
Freude
am
Kontakt
zum
Menschen,
am
Erfüllen
einer
vom
Menschen
gestellten
Aufgabe,
mit
Gelehrsamkeit,
die
seine
Collie-Anteile
mit
sich
brachten.
In
der
Auseinandersetzung
mit
der
Inuit-Kultur
fand
ich
z.B.
immer
wieder
den
Hinweis
darauf,
dass
der
absolut
menschenfreundliche
Husky
dort
Aufgaben
der
Kindererziehung
delegiert
bekommt.
Und
die
kluge
„Lassie“
ist
ja
bei
uns
älteren Jugendlichen noch ein Begriff. Bingo war ein ausgesprochener Rudelhund.
Bereits
als
ganz
junger
Hund
freute
Bingo
sich
über
jeden
Besuch
von
Kindern,
nahm
ihre
Launen
und
manchmal
auch
derben
Zuwendungen
nicht
übel,
begriff
sehr
schnell,
wenn
es
besser
war,
sich
dezent
und
gelassen
zurückzuziehen
und
den
richtigen
Augenblick
abzupassen,
wenn
sich
wieder
die
Möglichkeit
zum
Kontakt
und
zum
Spielen
bot.
Im
Rudel
griff
er
zwar
immer
in
Kämpfe
ein,
wenn
sie
auszuufern
drohten,
aber
nie
aggressiv,
sondern
stellte
sich
mit
seiner
immer
beachtlicher
werdenden
Größe
zwischen
zwei
„Streithähne“
quer
und
unterband
damit
einfach
die
Nähe
und
den
gefährlichen
Augenkontakt.
Ähnliches
Verhalten
konnten
wir
auch
bei
uns
Zuhause
beobachten,
wenn
bei
uns
der
Haussegen
einmal
schief
hing.
Hier
konnte
er
natürlich
nicht
in
den
Blick
treten,
aber
er
wechselte
bei
einem
lauter
werdenden
Tonfall
in
einer
Streitsituation
von
einem
zum
anderen
oder
suchte
sich
den
jeweils
Bedürftigeren
aus.
Und
trösten
konnte
er
auch,
mit
seinen
braunen
Augen,
einer
sanften
Pfote
auf
dem
Knie
und,
wenn
man
wollte,
auch
mit
seinen
Eigenschaften als „Knuschelhund“ auf dem Sofa.
Seine
Lernfähigkeit
und
seinen
Gehorsam
musste
er
dann
in
einem
langen
Training
unter
Beweis
stellen,
in
dem
er
lernte,
nicht
nur
auf
Worte,
sondern
auch
auf
Hände
und
Gesten
zu
gehorchen.
Diese
wortlosen
Signale
waren
mir
wichtig,
weil
ich
in
den
Behandlungen
die
analoge
Kommunikation
nicht
durch
sprachliche
Befehle
stören
oder
zerstören
wollte.
Bei
diesem
Training
halfen
erfahrene
Hundeführer
aus
unserem
Bekanntenkreis
und
ein
engagierter
Hundesportverein
in
der
Nähe
unseres
Wohnortes.
Leider
fand
ich
in
einer
zumutbaren
Entfernung
keine
Möglichkeit
zu
einer
Spezialausbildung
von
der
ich
gehört
hatte,
so
dass
ich
auf
meine
beruflichen
Fähigkeiten
als
Psychotherapeut,
auf
die
Internetdiskussionen
mit
Fachleuten
und
auf
das
ausführliche
Literaturstudium
zurückgreifen
musste.
Wer
ein
Tier
in
seiner
Arbeit
einsetzen
möchte
findet
heute
in
der
Umgebung
Hannovers,
in
der
Wedemark,
den
Verein für Soziales Lernen mit Tieren.
http://www.lernen-mit-tieren.de/
Theoretische Überlegungen
Es
ist
nicht
empfehlenswert,
einen
Hund
ohne
jegliche
Vorbereitung
mit
in
eine
Institution
zu
nehmen.
Ich
halte
es
vielmehr
für
unumgänglich,
dass
man
den
Einsatz
eines
Tieres
sorgfältig
plant
und
gut
überlegt
–
und
dass
nicht
nur
bei
psychisch
kranken
und
belasteten
Kindern
und
Jugendlichen.
Damit
meine
ich nicht nur, dass man den geplanten Einsatz anspricht und eine geeignete Umgebung schafft, sondern auch, dass man diagnostisch abwägt.
Rahmenbedingungen
Egal
ob
Sie
ein
Tier
in
einer
Einrichtung
einsetzen
wollen
oder
in
ihrer
eigenen
Praxis,
es
ist
erforderlich,
dass
Sie
dafür
sorgen,
dass
dieser
Einsatz
von
allen
Betroffenen
mitgetragen
wird.
Es
ist
erstaunlich,
wie
sehr
eine
nicht
informierte
oder
ablehnende
Umgebung
ein
Klima
installieren
kann,
dass
therapeutische
Tätigkeit
stört
oder
sogar
unmöglich
macht.
Ich
kann
dies
aus
einer
problematischen
privaten
Nachbarschaft
und
meinem
Versuch
ableiten,
in
diesem
Kontext
selbständig
zu
arbeiten.
Die
Bereitschaft
sollte
aber
nicht
nur
bei
möglichen
Vorgesetzten
und
Kollegen,
sondern
auch
beim
sonstigen
unmittelbaren
räumlichen Umfeld hergestellt werden.
Neben
dem
Psychologischen
Dienst
im
Stephansstift
gab
es
zum
Beispiel
eine
therapeutische
Wohngruppe
für
Kinder.
Von
diesen
Kindern
wurde
Bingo
jedes
Mal
mit
Begeisterung
empfangen,
so
dass
er
mit
seiner
Anwesenheit
einen
starken
Einfluss
auf
pädagogische
Interventionen
und
auf
das
Klima
ausübte.
Eine
Gruppenaktivität
vor
dem
Haus
konnten
die
pädagogischen
Kollegen
für
einen
kurzen
Augenblick
getrost
vergessen.
Zu
meinem
Glück
waren
die
Kollegen
sehr
tierlieb
und
freuten
sich
selbst
über
den
Kontakt,
bezogen
Bingo
für
den
Augenblick
in
die
Aktivitäten
einfach
mit
ein.
Wäre
dem
nicht
so
gewesen,
hätte
ich
bereits
auf
dem
Weg
vom
Auto
zum
Büro
ein
Hindernis
zu
überwinden
gehabt.
Es
ist
also
von
absolutem
Vorteil,
dass
der
Hund
allseits
nicht
als
Störung,
sondern
als
Bereicherung
erlebt
wird.
Es
ist
deshalb
sinnvoll,
den
Hund
aktiv
einzuführen,
indem
man
ihn
vorstellt
und
seine
Aufgabe
beschreibt.
Ich
bin
im
Stephansstift
noch
darüber
hinaus
gegangen
und
habe
den
Einsatz
von
Bingo
in
einem
Artikel
unserer
einrichtungsinternen
Zeitung
dargestellt.
Fragen,
die
immer
wieder
gestellt
wurden,
sind
die
nach
der
Haftpflicht
und
der
gesundheitlichen
Gefährdung
der
Patienten,
zum
Beispiel
durch
Parasiten.
Diese
Fragen
habe
ich
erstaunlicherweise
nie
in
einem
privaten
Kontext
gehört,
in
der
Bingo
als
Familienhund
wahrgenommen
wurde.
Aber
in
einer
Institution
treten
sie
vermutlich
zwangsläufig
auf.
Und
selbstverständlich
musste
ich
diesen
Fragen
angemessen
begegnen
können,
eine
entsprechende
Haftpflichtversicherung
abschließen,
mich
veterinärmedizinisch
sachkundig
machen,
Bingo
durch
unseren
Tierarzt
regelmäßig
untersuchen
lassen
und
Gesundheitszeugnisse
vorweisen
können.
Und
natürlich
musste
ich
mir
bewusst
sein,
dass
Bingo
ein
Tier
bleiben
würde,
dass
dem
Wolf
sehr
nahe
ist-
man
sah
es
ihm
ja
auch
an.
Eberhard
Trummler,
ein
Wolfsforscher
und
Autor
vieler
Bücher
über
Hundeerziehung,
hat
nicht
umsonst
darauf
hingewiesen,
dass
wir
unserem
Hausgenossen
Hund
auch
Respekt
zollen
müssen,
weil
er
so
ein
soziales
Wesen
besitzt
und
seine
Zähne
nicht
ohne
Not
gegen
uns
verwendet,
mit
denen er viel Schaden anrichten könnte
Trummler, Eberhard
- Der Schwierige Hund, 1987.
Ein
Hund
benötigt
an
unserem
Arbeitsplatz
eine
Rückzugs-
und
Fütterungsmöglichkeit,
die
vom
Therapieraum
abgesondert
ist.
Man
muss
dem
Hund
in
den
Zeiten,
in
denen
er
nicht
aktiv
ist,
einen
Platz
außerhalb
des
Therapieraums
anbieten
können,
der
ihm
vertraut
werden
kann,
an
dem
er
sich
wohl
fühlt.
Vielleicht
ergibt
sich
ja
auch
einmal
der
Bedarf
oder
die
Notwendigkeit,
eine
Stunde
ohne
ihn
fortsetzen
zu
müssen.
Auch
in
diesen
Fällen
muss
er
irgendwo
gut
versorgt
sein.
Ein
Hund
benötigt
während
unserer
Arbeitszeit
vielleicht
auch
sein
Fressen.
Das
Fressen
sollte
vom
Therapieraum
getrennt
passieren,
so
dass
der
Napf
oder
der
Fütterplatz
nicht
zur
störenden
Ablenkung
wird.
Ich
ließ
Bingo
zum
Beispiel
auch
nie
von
Patienten
füttern,
weil
ich
davon
Irritationen
in
der
Beziehungsentwicklung
erwartete.
Das
Füttern
ist
für
mich
ein
Teil
der
spezifischen
Bindung
zwischen
Hund
und
Hundeführer,
aus
dem
sich
noch
eine
besondere
Aufmerksamkeit
und
Gehorsamkeit
ergibt,
die
ich
nicht
mit
meinen
Patienten
teilen
möchte.
Im
Konfliktfall
sollte
es
ja
für
Bingo
keine
Loyalitätsprobleme,
sondern
nur
eindeutige
Orientierung
geben.
Da
es
aber
manchmal
im
Spiel
zwischen
Bingo
und
Patient
lebhaft
zuging,
benötigte
er
einen
Wassernapf
im
Behandlungszimmer.
An
meinem
Arbeitsplatz
hatte
ich
zudem
eine
Rückzugsmöglichkeit
für
Bingo
in
meinem
Büro
geschaffen,
in
dem
er
unter
meinem
Schreibtisch
einen
Schlafplatz
neben
meinen
alten
Hauslatschen
hatte,
so
dass
er
ein
vertrautes
Aroma
vorfand.
Und
in
diesem
Raum
gab es eine Ecke, in der sein Futternapf stand.
Diagnostik
Es
macht
zum
Einen
keinen
Sinn,
wenn
ein
Patient
von
der
tiergestützten
Therapie
nicht
profitieren
kann,
weil
er
das
Tier
nicht
als
Gegenüber
erkennt,
keine
Du-Evidenz
entwickelt.
Zum
anderen
darf
ein
lebendiges
Tier
in
den
Augen
des
Patienten
auch
deshalb
nicht
zu
einem
Gegenstand
werden,
weil
die
Gefahr
groß
ist,
dass
es
dann
zu
aggressiven
Übergriffen
kommen
und
der
Hund
misshandelt
werden
kann.
Dass
ein
Hund
unter
der
therapeutischen
Situation
zu
leiden
hat,
muss
völlig
ausgeschlossen
werden.
Gelingt
dies
nicht,
wird
er
nicht
ja
nur
leiden,
sondern
auch
seine
Gutmütigkeit
verlieren,
womöglich
jemanden
verletzen
und
nicht
mehr
in
der
Therapie
eingesetzt
werden
können.
Wir
müssen
wissen,
dass
gerade
bei
emotional
labilen
jungen
Menschen
ein
domestiziertes
und
unterordnungsbereites
Tier
allzu
leicht
Machtambitionen
und
Aggressivitäten
auf
sich
ziehen
kann.
Aber
bei
guter
Vorüberlegung
und
bei
aufmerksamer
Beobachtung
der
Vorgänge
zwischen
Tier
und
Mensch
profitiert
auch
das
Tier
von
dem
Erfolg
in
seiner
Aufgabe
und
genießt die Zuwendung. Von Bingo kann ich sagen, dass er sich auf „seine“ Patienten freute und nicht eine negative Erfahrung gemacht hat.
Ein
wesentliches
Kriterium
für
den
Einsatz
Bingos
in
einer
Therapie
war
für
mich
also,
dass
der
junge
Mensch
ein
Tier
als
empfindendes
Lebewesen
begriff
und
hinreichend
in
seiner
Selbstbestimmung
respektierte.
Hinreichend
genügt,
weil
Bingo
seinerseits
mit
seiner
Form
der
non-verbalen
Kommunikation
und
seinem
Sozialverhalten
vieles
korrigierte,
worüber
ja
ein
wichtiges
Teil
des
beabsichtigten
sozialen
Lernprozesses
initiiert
wurde.
Die
Mindestvoraussetzung
musste sein, dass in einer Anfangsphase eine Begegnung auf Distanz möglich war, bis sich Du-Evidenz und Respekt eingestellt hatten.
Meist
musste
ich
darauf
nicht
lange
warten,
denn
gerade
die
analoge
Kommunikation
zwischen
Hund
und
Mensch
erweitert
den
Personenkreis
enorm,
der
sich
auf
ein
Erleben
einer
subjektiven
Zweisamkeit
(Du-Evidenz)
einlassen
kann.
Ich
habe
die
Erfahrung
gemacht,
dass
sich
selbst
viele
junge
Menschen
mit
strukturellen
Störungen
auf
den
regressiven,
von
tiefem
Mit-Einander-Erleben
und
Ohne-Worte-Verstehen
bestimmten
Kontakt
einlassen
konnten
und
in
guter, emotional stabilisierender Weise davon profitierten.
Ausschlusskriterien:
o
Dissoziale Störungen
Nach
meiner
Erfahrung
gelingt
es
allerdings
Jugendlichen
mit
schweren
dissozialen
Störungen
oft
nicht,
Mensch
und
Hund
als
ein
lebendiges
und
fühlendes
Gegenüber
zu
erleben,
sich
mit
dem
Erleben
anderer
Lebewesen
zu
identifizieren,
Emotionen
anderer
nachzuvollziehen.
In
diesem
Fall
besteht
natürlich
immer
die
Möglichkeit
und
Gefahr,
dass
aus
dem
enttäuschenden
Unverständnis,
meist
schon
aus
geringster
Frustration
eine
Enttäuschungsaggression
wird,
die
dann
unter
Umständen
in
ein
quälerisches
Spiel
von
Macht
und
Ohnmacht
mündet,
dass
der
Hund
zu
ertragen
hätte.
Ein
solches
Risiko
bin
ich
in
keinem
Fall eingegangen und habe Bingo nicht eingesetzt oder erst nach längerer Abklärung und Absicherung.
o
Angstpatienten
In
meinem
Bekannten-
und
Freundeskreis
gibt
es
eine
Reihe
von
Menschen,
die
Angst
vor
Hunden
haben.
Zu
meiner
Freude
begannen
diese
Menschen
nach
relativ
kurzer
Zeit
zwischen
„den
Hunden“
und
Bingo
zu
differenzieren
und
ihn
anzunehmen.
Dies
korrespondiert
mit
meiner
Erfahrung,
dass
ich
in
meinen
Behandlungen
keinen
Patienten
mit
einer
generalisierten
Angststörung
erlebt
habe,
dessen
Angst
sich
auf
Bingo
in
einer
Weise
übertragen
hätte,
dass
der
Kontakt
nicht
möglich
gewesen
wäre.
Selbst
bei
Patienten
mit
ausgesprochener
Hundephobie,
waren
diese
im
Kontakt
rückläufig.
Bingo
wurde
oftmals
sogar
als
eine
Art
Beschützer
erlebt
und
dann
über
identifikatorische
Prozesse
zum
verinnerlichten
Symbol
eigener
Stärke.
Allerdings
bin
ich
der
Auffassung,
dass
dies
ein
Effekt
ist,
der
für
viele,
aber
nicht
zwangsläufig
für
alle
Hunde
gilt.
Dieser
Vorgang
hat
mit
einer
ganz
eindeutig
de-eskalierenden
Art
zu
tun,
die
nicht
alle
Hunde
zeigen.
Hunde
können
die
Angst
eines
Menschen
spüren
und
sie
in
ihrem
verhalten
berücksichtigen.
Dennoch
glaube
ich
aber
auch,
dass
es
extreme phobische Reaktionen gibt, die den Einsatz eines Hundes oder eines anderen Tieres in der Therapie erst einmal ausschließen.
o
Aggressive Gruppen
Ich
habe
Bingo
nicht
mit
in
eine
Gruppe
mit
hohem
Aggressionspotential
genommen,
weil
ich
zum
Einen
in
der
komplexen
Situation
die
verschiedenen
Wechseleinflüsse
nicht
hätte
überschauen
können
und
weil
ich
nicht
sicher
gewesen
wäre,
ob
sich
nicht
als
Gruppenphänomen
die
Aggressionen
gegen
das
untergeordnete
Mitglied,
nämlich
den
Hund,
richten
würde.
Dieses
Phänomen
hatte
in
meiner
ersten
Jugendhilfeeinrichtung
zur
Abschaffung
der
Tiere
geführt.
Therapeutische Effekte
Bingo
zog
oft
Aufmerksamkeit
auf
sich.
Er
besaß
für
die
meisten
Kinder
und
Jugendlichen
eine
außerordentliche
Attraktivität,
wegen
seiner
Größe,
seiner
Rasse
und
seiner
Lebensfreude.
Für
viele
meiner
Patienten
war
es
eine
Belohnung,
endlich
Therapie
„bei
Bingo“
machen
zu
dürfen.
Bingo
stellte
also
die
Beziehungen her, die ich für die therapeutische Arbeit nutzen konnte.
Bingo
hatte
sehr
viel
Erfahrung
mit
schwierigen
sozialen
Situationen.
Er
fand
sich
darin
aber
sehr
gut
zurecht,
konnte
sicher
mit
Nähe
oder
Distanz
umgehen,
stellte
sie
seinerseits
her,
zog
sich
wenn
nötig
auf
einen
sicheren
Platz
zurück,
oft
an
meiner
Seite
auf
dem
Sofa.
Die
jungen
Menschen
konnten
dabei
durch
Beobachten
und
Identifikation
lernen,
wie
ich
mit
ihm
umging
und
wie
man
sich
verhalten
muss,
dass
Bingo
Interesse
entwickelte,
Berührung
zuließ und genoß.
Über
die
Vorgänge
in
dieser
Situation,
die
ich
bereits
als
therapeutisch
verstehe,
sprach
ich
oft
mit
meinen
Patienten.
Es
kamen
dabei
Fragen
auf,
warum
Bingo
zu
mir
kommt,
sich
leicht
locken
lässt,
aber
nicht
auf
harsche
Kommandos
eingeht,
warum
er
manchmal
auf
Distanz
bleibt
oder
sich
gar
abwendet.
Dieses
Verhalten
konnte
ich
in
Bezug
setzen
zu
dem
Auftreten
des
jungen
Menschen,
z.B.
zu
seiner
Ungeduld,
die
ihn
zu
einem
aggressiven,
fordernden
Tonfall
in
der
Ansprache
Bingos
verführten
oder
zu
seiner
Befürchtung,
enttäuscht
zu
werden,
die
ihn
viel
zu
schnell
resignieren
ließen.
In
manchen
Situationen
regte
Bingo
auch
projizierende
Fantasien
an
und
der
Patient
konnte
sich
dann
damit
auseinander
setzen,
dass
ich
Bingo
vermeintlich
mit
heimlichen
Befehlen
veranlassen
würde,
sich
defensiv
zu
verhalten. Das ich ihn sozusagen für mich alleine haben wollte.
So
lernten
die
jungen
Menschen
bereits
in
der
Anfangsphase
viel
über
ihre
individuelle
Art
und
Weise,
Kontakt
zu
einem
Lebewesen,
also
auch
zu
anderen
Menschen
aufzunehmen.
Sie
lernten
begreifen,
mit
welchen
Gefühlen,
mit
welchen
Verhaltensweisen
sie
sich
einem
Lebewesen
nähern
und
wie
sie
Erfolg
und
Misserfolg
in
der
Beziehung
dadurch
beeinflussen
konnten.
Und
sie
machten
erste
Erfahrungen
mit
sich
selbst,
mit
ihren
negativen
Erwartungen und Befürchtungen, aber auch mit ihren unerfüllten Wünschen
Bingo
war
im
sozialen
Kontakt
ein
sehr
großzügiger
Hund,
der
Beziehungsprobleme
ausglich,
indem
er
immer
wieder
„nachfragte“,
ob
jemand
Interesse
hat,
sich
mit
ihm
abzugeben.
Seine
Frage
verpackte
er
oft
in
das
Vorweisen
eines
Spielzeugs,
in
ein
Spielangebot.
Somit
wechselten
sich
Annäherungs-
und
Rückzugsphase
im
therapeutischen
Kontakt
zwischen
Bingo
und
Jugendlichem
ab,
in
Abhängigkeit
vom
Verständnis,
dass
sich
zwischen beiden entwickelte.
Bingos
Verhalten
war
in
all
diesen
Zusammenhängen
für
mich
auch
von
unschätzbarem,
diagnostischen
Wert.
Er
ließ
sich
weniger
beirren
und
reagierte
in
manchen,
sich
verändernden
Situationen
rascher
als
ich,
so
dass
seine
Reaktionen
für
mich
zum
Indikator
der
emotionalen
Zustände
meiner
Patienten
werden
konnte.
Dabei
konnte
ich
mich
darauf
verlassen,
dass
ihm
auch
subtile
Veränderungen
nicht
entgingen.
Und
in
einem
Zweifelsfall
konnte
ich
meine
Einschätzung auch durch sein Verhalten verifizieren lassen.
Sonderfall Trauma
Ich
arbeitete
auch
mit
Mädchen,
die
durch
Männer
traumatisiert
worden
waren
und
gewalttätige
körperliche
und
/
oder
sexuelle
Übergriffe
erlitten
hatten.
Ich
hatte
mich
lange
mit
der
Frage
auseinandergesetzt,
ob
es
nicht
grundsätzlich
angemessener
gewesen
wäre,
in
einem
solchen
Fall
eine
Kollegin,
also
eine
weibliche
Therapeutin
tätig
werden
zu
lassen.
Ich
konnte
diesen
Grundsatz
für
mich
letztlich
nicht
mehr
festlegen.
Es
gibt
für
mich
gewichtige
Gründe,
die
dafürsprechen, dass auch männliche Therapeuten für traumatisierte Mädchen erforderlich sind:
o
Viele
sexuell
missbrauchte
und
körperlich
misshandelte
Mädchen
haben
ihr
Trauma
in
der
eigenen
Familie
erlitten.
Und
sie
mussten
dabei
nicht
selten
erfahren,
dass
sie
von
der
Mutter
nicht
geschützt,
wenn
nicht
sogar
dem
Täter
zugeführt
wurden.
In
vielen
Behandlungen
habe
ich
erlebt,
dass
sich
diese
Mädchen
einer
Therapeutin
nicht
anvertrauen
mögen,
weil
in
ihrer
Rückerinnerung
der
Vertrauensbruch
sogar
schlimmer
wiegt,
als
die
Misshandlung
und
/ oder weil sie eine mütterliche Person nicht als Schutz vor einer Re-Traumatisierung wahrnehmen können.
o
Misshandelte
und
missbrauchte
Mädchen
benötigen
nicht
selten
zunächst
alternative,
positive
Erfahrungen
mit
einem
männlichen
Objekt,
damit
sie
sich
hierdurch gestärkt dem Trauma nähern können.
o
Und
betroffene
Mädchen
brauchen
in
der
Traumabearbeitung
nicht
selten
auch
eine
Projektionsfläche
für
ihre
negativen
Übertragungen,
also
einen
männlichen Therapeuten, den sie mit ihren Aggressionen, ihren Enttäuschungen, aber auch mit ihrer aufzulösenden Opferhaltung konfrontieren können.
Wesentlich
für
traumatisierte
Menschen
ist,
dass
sie
den
therapeutischen
Rahmen
als
absolut
sicher
erleben.
Nach
meinen
Erfahrungen
war
Bingo
in
diesen
Therapien
oftmals
der
dritte
Anwesende,
der
die
Situation
sicher
machte.
Er
wurde
dabei
vom
Kind
oder
Jugendlichen
als
Garant
für
die
Sicherheit
erlebt,
als
jemand,
der
aufpasst
und
nicht
wegguckt.
Die
Jugendlichen
bemerkten
dabei
rasch,
dass
er
mit
seinem
sensiblen
Gespür
auf
den
Plan
trat,
wenn
es
galt,
aus
einer
Situation
die
aufkommende
Spannung
herauszunehmen.
Er
war
auch
dann
da,
wenn
eine
Erinnerung
zu
stark
wurde,
um
sie
alleine
zu
ertragen
oder
Ablenkung
nötig
war,
aber
ein
Mensch
nicht
zu
nahetreten
durfte.
Er
konnte
die
gefährlichen
Lücken
der
Sprachlosigkeit
füllen,
indem
er
immer
bereit
war,
einem
rollenden
Ball
zu
folgen
oder
auf
seinen
ausgerufenen
Namen
hin
aufmerksam
zu
werden.
Über
ihn
lies
sich
auch
gut
reden,
über
seine
Probleme,
wenn
er
als
guter
Hund
unter
böse
Hunde
geraten
oder
in
der
großen
weiten
Welt
alleine
gelassen
würde.
Und
man
konnte
sich
dann
einig
sein,
dass
es
uns
Menschen
manchmal
genauso
geht.
So
stellte
Bingos
Anwesenheit
Vertrauen
und
ein
Gefühl
von
Verstanden-Werden
her,
dass
sonst
vielleicht
monatelang auf sich hätte warten lassen oder gar nicht eingetreten wäre.
Bingos
Eigenschaft
als
verbindendes
Glied
unterstützte
die
therapeutische
Beziehung
und
zwischenmenschliche
Bindung.
Er
spannte
mit
seiner
Anwesenheit
und
seiner
Bezogenheit
auf
alle
Anwesende
ein
Beziehungsdreieck
auf,
in
dem
dann
eine
gesunde
Autonomieentwicklung
forciert
wurde.
Der
Patient
konnte
darin
auf
mich
als
Therapeuten
Negatives
projizieren,
auf
mich
böse
sein
und
sich
durch
Bingos
Anwesenheit
trotzdem
sicher
fühlen,
weil
Bingo
das
Beziehungsdreieck
aufrechterhielt.
Der
Patient
spürte,
dass
er
die
Beziehung
nicht
riskierte,
konnte
sich
durch
diese
Sicherheit
auch
auf
die
Bearbeitung
seiner
negativen
Projektionen
einlassen.
Er
musste
sein
Autonomiegefühl
nicht
über
den
Therapieabbruch
sichern
und
damit
in
eine
pseudo-autonome
Haltung flüchten.
Ein
Hund
ermöglicht
eine
relativ
gefahrlose
Regression
auf
einen
non-verbalen
Zustand,
in
dem
affektive
Beziehungserfahrungen
möglich
werden,
die
Qualitäten
einer
Beziehung
von
Mutter
und
Säugling
haben,
die
also
von
einem
tiefen
affektiven
Verständnis
gekennzeichnet
sind,
wobei
der
Hund
die
Affektlage
und
auch
die
Bedürftigkeit
des
Patienten
durch
seine
angemessene
Reaktion
quasi
deutet.
Diese
Deutung
durch
Handlung
kann
dann
noch
durch
verbale
Deutungen
des
Therapeuten
unterstützt
werden,
so
dass
die
Affektdifferenzierung
und
–integration
gefördert
wird.
Für
diese
weitergehende
verbale
Deutung ist natürlich die wesentliche Voraussetzung, dass der Therapeut die non-verbale Sprache seines Hundes einwandfrei versteht.
Der
große
Vorteil
eines
sozial
gesunden
Hundes
ist
seine
emotionale
Eindeutigkeit.
Er
spielt
nichts
vor,
wertet
nicht
und
nimmt
jede
Situation
als
neue
Möglichkeit.
Eine
negative
Erfahrung,
wie
ein
versehentlicher
Tritt
auf
die
Pfote,
lässt
sich
bei
ihm
nachvollziehbar
mit
Zuwendung
ausgleichen.
Er
versteht
den
beschwichtigenden
bedauernden
Tonfall
des
Übeltäters
und
die
Beziehung
stellt
sich
für
den
Hund
immer
als
Summe
positiver
und
negativer
Erfahrungen dar, deren Bilanz durch die nächste angemessene Handlung wieder aufzubessern ist.
Die
Handlungen
eines
Hundes
sind
von
großer
Eindeutigkeit,
wenn
man
sich
auf
das
Verstehen
seiner
„Sprache“
erst
einmal
eingelassen
hat.
Durch
seine
wiederkehrenden
und
nachvollziehbaren
Reaktionen
ist
er
ein
sicherer
Partner.
Seine
Direktheit
lässt
den
Patienten
dabei
intuitiv
begreifen,
dass
der
Hund
keine
moralische
oder
moralisiernde
Instanz
in
die
Beziehung
einbringt.
Ihm
gegenüber
reduzieren
sich
darum
die
Schamreaktionen
und
die
Schuldfragen,
so dass er zum vorurteilsfreien Zuhörer wird.
Schluss
Bingo
hat
seine
Arbeit
ganz
offensichtlich
sehr
gerne
getan.
Es
war
deutlich
zu
bemerken,
dass
sein
Dienst
für
ihn
eine
Bereicherung
seines
„Hundelebens“
war.
Ich
hatte
immer
den
Eindruck,
dass
er
beigeistert
wahrnahm,
dass
man
Interesse
an
ihm
hatte
und
ihn
brauchte.
Zu
seinen
Dienstzeiten
wartete
er
oft
erwartungsvoll
auf
„seinen“
nächsten
Patienten.
Er
hat
seine,
den
Menschen
zugewandte
Haltung
bis
an
seinem
letzten
Tag
bewahrt,
an
dem
ich
ihn
gehen
lassen
musste.
In
diesem
für
mich
undendlich
traurigen
Augenblick
hat
dieses
liebe
Wesen
meine
Trauer
wahrgenommen,
suchte
mir
nahe
zu
sein
und
mich
zu trösten.
Literatur:
Reinhold Bergler: Warum Kinder Tiere brauchen
Graham Ford u. Andrea Beetz (Hrsg.): Tiere als therapeutische Begleiter
Greifenhagen, Sylvia von & Buck, Oliver: Tiere als Therapie – Neue Wege in Erziehung und Heilung.
Olbrich, von E. / C. Otterstedt (Hrsg.):
Tiere als therapeutische Begleiter
(2001),
Menschen brauchen Tiere
(2003)
Dies ist ein Erfahrungsbericht über meine Arbeit mit einem ausgebildeten Therapiehund in einer
stationären Jugendhilfeeinrichtung und eine Homage an meinen treuen Freund Bingo.