Klaus Walter Coaching und Supervision

Neben all dieser Anforderungen ist unser Hund zudem ein echter Betrüger. Er hatte sich bei den Züchtern noch als lahmer Gamma-Hund dargestellt, also als letzter der Rangfolge, gemütlich und vielleicht sogar etwas phlegmatisch. Damit hatte er unsere ganze Sympathie kassiert und uns bewogen, ihn mit nach Hause zu nehmen. Aber dann hatte er seine Maske abgelegt. Wir waren uns bald sicher, das ist kein Elo, sondern eher eine Kreuzung aus Krokodil und Rennmaus. Unsere ganze Aufmerksamkeit galt erst einmal der Erhaltung unseres Wohnungsinventars und der Desinfektion kleinerer Zahnspuren an unseren Extremitäten. Als wir zum ersten Mal in der Welpenschule waren, hatte er alle anwesenden Welpen im Alter bis 14 Wochen platt gemacht. Ich hatte vorher noch keinen Hund gesehen, der mit Gebiss und geschickter Körperdrehung so gekonnt Judo anwenden konnte. Inuh konnte es sofort und mit einem Mal wusste ich nicht mehr, warum wir diesen süßen kleinen Fratz noch mögen - oder habe ich mich grade durch die Wortwahl und mein verschmitztes Grinsen verraten. Naja, am nächsten Tag sollte es wieder zu einer Hundeschule gehen – zu einer anderen, wo man uns noch nicht kennt. Die Trainerinnen der ersten hatten sowieso keinen so guten Eindruck auf mich gemacht. Zwei der Damen waren so übergewichtig, dass sie die Hunde zu ihren Füßen nicht mehr sehen konnten (kein Scheiß, echt wahr) und die dritte war eine waschechte Rasta-Frau, an deren Wade sich bei unserer Ankunft gerade einen Foxterrier verbissen hatte. Ihre Kolleginnen beruhigte sie damit, dass sie auf ihre gerade erhaltene Tetanus-Auffrischung hinwies. Nichts gegen Rastafari, aber der Biss in die Wade sprach arg gegen Kompetenz. Ok, Inuh war nicht nur so ein überdrehter Welpe, wie gerade beschrieben. Nein, er hörte auch schon auf unsere höflich ausgesprochenen Bitten, vorausgesetzt er hatte noch kein Frühstück und die ausgesetzte Belohnung für Wohlverhalten war eine besondere. Geflügelwurst war da erste Wahl, gefolgt von bestem Halbnassfutter. Wir durften uns der Illusion hingeben, dass daraus ein Lernen wird, aber ich hatte auch den Verdacht, dass der Bobtail immer wieder durchschlägt, wenn die Wurst alle und der Hunger überwunden ist.    Erster Tag im Büro! Gut, die Nacht vorher war für mich jetzt nicht ganz so entspannt. Kurz vor Mitternacht war ich hochgeschreckt: Was ist, wenn er morgens nicht k…  Da kann ich doch später nicht aus dem Elterngespräch raus – gerade bei diesen schwierigen Eltern. Naja, dermaßen gestörte Nachtruhe hat auch etwas Gutes. Ich spürte mein Herz kräftig wummern und das war ja eigentlich auch kein schlechtes Zeichen. Etwas später fiel mir ein, dass die Eltern erst am Mittwoch dran waren und morgen Vormittag nur Bürotag und darum gut disponierbar war. Pipipause etc. wäre also jederzeit gesichert. Das Spiel mit dem nächtlichen Aufschrecken wiederholte sich mehrfach bis zum Morgen, einschließlich der jeweils folgenden Erkenntnis, dass es nun wirklich nicht der Stresstag werden würde. „Kann das mein Unterbewusstsein nicht vernünftiger regeln“, so dachte ich. Jedenfalls sieht Tiefschlaf anders aus. Und dann am Morgen die Erlösung: Inuh machte keinen Stress auf der Fahrt, schlief in seiner Box. Im Stift angekommen, machten wir einen ersten Rundgang im nahen Stadtwald, der Eilenriede, und er löste sich, er löste sich, er löste sich, was bei Herrchen für die bereits erwähnte Erlösung sorgte. Ach kann die Eilenriede schön sein. Klar gab´s dann gleich etwas zu futtern für ihn. Inuh fand das offensichtlich alles völlig normal. Mit gelegentlichen Gnabbeln hielt er Herrchen in Trainerlaune und vertrieb die Langeweile. Zwischendurch konnte ich sogar etwas am PC tippen und musste nur aufpassen, dass ihm mein Bürostuhl nicht über die Füße rollte. Mann hatte das Kerlchen ein Vertrauen.  Mittag nahte und der nächste Rundgang sollte starten, damit danach dann der Besuch im „Monte Collo“ nicht zu einem Desaster führen sollte. Inuh fand, es sei zu früh, um irgendwas gegen die Darmträgheit zu tun. Der Gang bereitete ihm aber deutliche Freude, weil es eine Reihe von Vögeln aufzuscheuchen galt - so viel zum fehlenden Jagdtrieb der Elos. Aber schneller als sein Vorgänger (Bingo) erkannte er, dass er ihnen nicht nachfliegen kann. Offensichtlich ging es ihm im Wesentlichen um das wundervolle Flattern, dass er auslöste. Er jagte ja auch nicht wirklich, sondern machte nur ein bis zwei Sprünge auf die Vögel zu. Tja, mein Magen wollte jetzt aber aber gefüllt werden und Inuh wurde langsam unruhig wegen meiner wiederholten, vermeintlich entspannenden kleinen Runden auf dem Rasen, auf dem heute Morgen so wundervoll das Abführen gelungen war. „Was soll´s“, dachte ich. Der Wirt im Collo ist nett, verzeiht kleine Schwächen seiner Gäste und hat bestimmt auch einen Wischmopp.  Auf dem Weg zum Restaurant galt es die Straße zu überqueren. Es zeigte sich sofort, dass Inuh die Straßenverkehrsregeln begriffen hatte, die da lauten, Hunde haben immer Vorfahrt. Natürlich hatte ich ihn im festen Griff unter den Arm geklemmt, aber er wäre gern hinuntergesprungen und hätte den Mercedes, VW und Seat gerne einmal gezeigt, wo die Harke hängt. Meine freundliche Art und meine gut trainierten Arme behielten die Oberhand und die Straßenüberquerung war letztlich dann kein so großes Thema. Aber die kleine Wiese auf der anderen Seite fiel bei unserem kleinen Prinzen in die Kategorie „potentielles Hundklo“ und es war zu erkennen, wie er sich Mühe gab, Herrchen eine Freude zu machen (Das Thema „Erlösung hatte ich ja schon behandelt). Da hatte Inuh aber die Rechnung ohne die Studentinnen der nahen Sozialpädagogische Fachhochschule und die alten Damen des Eilenriedestiftes gemacht. Es ist interessant, wie sich in den höheren Stimmlagen die Stimmen von jungen und alten Frauen wieder ähneln und wie wundervoll regressiv beide Altersgruppen angesichts eines kackfreudigen niedlichen Welpen reagieren. „Ei ist der niedlich“, „Tutsi, tutsi, „tutsi“, „Ja wo ist denn der Kleine?“. Bei der letzten Bemerkung half ich aus: „Etwa 50 Zentimeter vor ihrem rechten Fuß“, gab ich Auskunft. Gut, dass brachte mir bei einer Dame im Jogging-Outfit keine Punkte ein, aber Inuh verschaffte es etwa 2 Minuten Pause, in der er sich noch einmal Gedanken über seinen Stuhlgang zu machen schien. Zwei Minuten reichen aber keinem Rüden, um diese Sache zur Vollendung zu bringen und schon nahte die nächste begeisterte Dame (Warum immer Damen? Und warum in dieser Anzahl? Und warum immer ich?). Ich war vor die Wahl gestellt, jetzt entweder noch einmal umzukehren und 30 Minuten Eilenriede nachzuschieben, weil dort eine deutlich höhere Verdünnung der hundebeisterten Damenwelt anzutreffen ist oder auf Inuhs Verschlussfestigkeit für die nächste Stunde zu vertrauen.  Ich setzte auf Vertrauen und das wurde nicht enttäuscht. Sicherheitshalber hatte ich aber einen Platz auf dem Außengelände gewählt – von dort war der Rasen zur Not mit zwei bis drei Schritten zu erreichen – und war auch bereit einem womöglich aufziehenden Regen zu trotzen. Das Personal betrachtete etwas argwöhnisch, dass ich neben einer Kettenraucherin der einzige Gast dort draußen war, aber da ich schon länger im Monte Collo verkehrte, wurde mein seltsam anmutendes Verhalten freundlich akzeptiert. Klein Elo wurde wahrgenommen und trug damit zur Akzeptanz bei. Gut, dass nun wieder auftretende Tutsi-Tutsi-wie-als-ist-er-den-was-ist-das-für-eine-Rasse etc. schenke ich mir jetzt. Jedenfalls war rasch klar, Restaurant ist für Klein-Elo auch aus einer Blickhöhe von 30 Zentimetern interessant. Jedenfalls saß unser Kleiner fast 40 Minuten da und betrachtete angeregt, was um ihn herum so vor sich ging – ohne Murren und Geknuspere an meinen Händen oder Hosenbeinen. Stolz ist gar kein Ausdruck für das, was mich dabei ergriff. Unsere Nachbarin unter dem großen Sonnenschirm (Zur Erinnerung: die starke Raucherin) gewann bei mir deutlich an Achtung, als sie freundlich bemerkte, was für ein ruhiger Hund das sei. Und ich habe Inuh nicht verraten.   Die Eilenriede half dann wieder zur Entspannung und die nachmittägliche Therapiearbeit konnte beginnen.  Zusammenfassend für das Folgende kann ich feststellen, dass die grundsätzliche Aufgabe des Therapeuten, nämlich letztlich überflüssig zu werden, von einem Welpen sehr leicht realisiert werden kann. Es ist erstaunlich, wie schnell sich bei Patienten hängende Mundwinkel, traurige oder trotzige Augen durch ihn in lebendige, fröhliche und freundliche Gesichter verwandeln können. Und noch erstaunlicher: es kam kein tutis-tusi-etc. sondern immer wieder die simple Frage: Darf ich ihn streicheln? Und danach wurde ich im Grunde nicht mehr benötigt. Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, zunächst jedes potentielle Gnabbelopfer auf das kommende Schmerzerlebnis hinzuweisen. Aber wenn ich meine Antwort mit einem einleitenden „Vorsicht“ begann, war alles schon zu spät. Inuh und junger Patient waren augenblicklich streichelnd, gnabbelnd, seufzend, zufrieden ineinander vertieft unterbrochen von kurzen Schmerzlauten der Genabbelten. Gut, es gelang mir in jedem Fall mit einer nachgeschobenen Instruktion noch Einiges zu verbessern, aber ich hatte schon den Eindruck, dass meine Anweisungen lediglich durch eine wabernde Nebelwand an die jeweils ausgelassen spielende Gemeinschaft zu dringen schien. Und unausgesprochen lag die Aussage in der Luft, dass ich damit irgendwie störe. Inuh hatte seinen ersten Tag als Hilfs-Therapeut also gut gemeistert. Inuh durfte also am nächsten Tag wieder mitkommen.   Das Team Es war gut, dass das Betreuerteamteam der Jugendhilfe den Kleinen schon kennengelernt hatte. Der Besprechungsraum war eng und so ein kleiner Hund ist immer irgendwo zwischen den Füßen auf der Suche nach Schnürsenkeln, aber wo? Da ist es schon von Vorteil, wenn die Anwesenden entweder in den Tretminenfeldern Afghanistans gedient oder eine Ahnung von schmerzenden Hundefüßen einschließlich kläglichem Jaulen haben. Beides lässt einen die eigenen Füße vorsichtig aufsetzen und den Blick andächtig gen Boden richten. Mein Team war im Grund voll von dienstlichen Informationen, die auszutauschen waren und darum eigentlich mit dem Recht auf Aufmerksamkeit und inhaltlichen Austausch gekommen. Aber dennoch hatten sie Inuh immer im Blick und gaben ihm die Chance schmerzfrei den einen oder anderen Senkel zu ziehen. Hochachtung vor diesen Pädagogen. Sogar das Anti-Gnabbel-Training klappte. Natürlich kamen die anderen Themen ein wenig zu kurz.   Ich gehe wieder ohne Hund aufs Klo. Ich gehe wieder ohne Hund aufs Klo. Viele Millionen Menschen werden jetzt denken, das ist doch nichts Besonderes. Das mache ich doch jeden Tag. Da haben sie recht, wenn sie keinen Welpen haben. Mit Welpen ist das Leben aber anders. Es gibt Welpen, die sitzen nicht geduldig vor der Klotür, sondern sie versuchen sich nach Herrchen oder Frauchen durchzuarbeiten. Wer da nicht über eine stabile Vollholztür verfügt, sondern „nur“ über eine leichte Zimmertür mit Rahmen und dünner Beschichtung, der wird schon bald die Hundenase durchscheinen sehen, und so weiter, bis dann das ganze Hundchen freudig winselnd durchbricht. Oder der kleine Hund hat die Kraft des Wortes entdeckt und nutzt ausgiebig die Varianten der Hundesprache, auf das man ob des schauerlichen Jaulens oder anhaltenden Bellens auch nicht so recht loslassen kann (schon wieder dieses Thema). Nun, klein Inuh hatte mir früh gezeigt, dass er bei kurzer Abwesenheit eher schmollte. Zunächst war er bei allem noch dabei und eben auch bei meinem Gang zum Klo. Das war für ihn interessant, weil er feststellen konnte, dass auch Herrchen sein Stinkerchen macht und für mich war es etwas nervig, weil ich der Meinung war, dass könne er auch aus einem Meter Entfernung und nicht mit der Nase an blanker Haut. Doch irgendwann erfasst mich der Mut. Ich hatte mir – natürlich im Laufschritt –aus der Küche im ersten Stock unseres Dienstgebäudes eine Kaffeetasse und Milch geholt und Inuh hatte sich bei meiner Rückkehr in eine dunkle Ecke des Büros zurückgezogen. Als ich eintrat, zeigte er mir seine Rückseite. Es sah eindeutig nach Schmollen aus und ich musste es wohl auch als Strafaktion gegen mich betrachten, dass er dabei meine Büro-Clogs mit seinen Zähnen bearbeitete. Jedenfalls war ich für ihn eine Weile nicht existent. Ich gebe zu, zuerst war ich ein wenig enttäuscht. Etwas mehr Anhänglichkeit hatte ich ja doch erwartet und mehr Anforderung an meine Trainerqualitäten. Aber dann war ich doch froh, dass mir die Lösung quasi zufiel und so habe ich beschlossen, ihm seinen Trotz und meine alten Clogs zu lassen.   Er kann surfen Der Begriff „Surfen“ wird heute nicht mehr nur für die von den Beach Boys (eine der ersten Boy-groups der Pop-Musik) ausgegebenen Parole genutzt. Die ältere Generation erinnert sich bestimmt noch an die wundervollen Worte: „If everybody had an ocean, Across the U.S.A., Then everybody'd be surfin', Like Californi-a.“ Es geht heute nicht mehr nur um das Wellenreiten auf stürmischer See. Man surft irgendwie überall, auch im Internet.  Inuh nimmt also Anlauf. Ich habe es mal zurückverfolgt: Irgendwo im Garten, am äußersten Ende ist sein Startpunkt. Manchmal mit, manchmal ohne Gegenstand im Maul. Seine „Kaubiene“ darf ihn des Öfteren auf seinem nun folgenden Trip begleiten. Er nimmt in der Gegengeraden Fahrt auf bis zur ersten Kurve am Carport, wirft sich um 90 Grad herum, jumpt gekonnt auf die Küchenveranda, nimmt mit elegantem Schwung die Stufe am Eingang zum Haus, hat nun eine Geschwindigkeit, die sicherlich für die Überhohlspur der Autobahn reichen würde und dann hebt er ab und völlig losgelöst von der Erde schwebt der Inuh schwerelohohohos, ist mit einem Satz auf seinem Hundewölkchen - in völliger Verkennung der Tatsachen auch Ruheplatz genannt - und surft mit diesem Teil durch das Wohnzimmer. Man muss das einfach surfen nennen, so elegant wie er auf dem Kissen aufspringt, wie er die Rutschpartie genießt, bis sie zu seinem Leidwesen an einem Möbel stoppt. Schaue ich zu, höre ich sie wieder, die Helden meiner Jugend: „I can´t get no satisfaction, but I try..   Besuch bei der Tierärztin Bevor man den Tierarzt oder die Tierärztin zu Gesicht bekommt, heißt es, das Wartezimmer zu bestehen. Hier beweist sich nachhaltig der Charakter eines Hundes und seiner Begleitung, und zwar in Abhängigkeit von der Anzahl hier wartender Tiere und Menschen. Der erfahrene Hundebesitzer kommt früh oder sehr spät zu den Sprechstunden. Zu diesen Zeiten ist die Praxis entweder noch nicht voll und die Wartezeit gering oder sie ist schon wieder recht leer. Hinter vorgehaltener Hand: Letzteres kann natürlich auch gegen die Qualität des Behandlers sprechen. Inuh und ich hatten uns für die frühe Variante entschieden, denn unsere Behandlerin ist eine gute und die Praxis darum bis zum Ende der Sprechzeit in aller Regel gut besucht. Leider stellte sich heraus, dass auch Andere unsere Strategie gewählt hatten und wir darum nicht die ersten waren. Kurz nach unserer Ankunft war das Wartezimmer bereits gefüllt mit 6 Hundchen und 7 Begleitpersonen. Gut, für die dänische Dogge streiche ich die Verniedlichungsform gleich wieder. Ich war noch der Meinung, dass es ein Vorteil sei, dass keine nervösen Katzen oder Beutekaninchen anwesend waren, aber die 6 Hunde schafften dann auch alleine Chaos. Inuh und einen kleinen schwarzhaarigen Mischling muss ich davon aber ausnehmen. Der Mischlingshund war entweder debil und narkotisiert oder einfach fantastisch erzogen. Jedenfalls saß er über die ganze Zeit ungerührt und stoisch in einer Ecke. Inuh tat es ihm nicht völlig gleich. Aber er saß oder lag die meiste Zeit zwischen meinen Beinen, verführt von gelegentlichen Brocken Geflügelwurst, die er für die jeweils korrekte Position verabreicht bekam. Damit war er genau genommen neben der Konkurrenz gestartet, die ohne Verführung auskommen musste. Die dänische Dogge bekam von ihrem Herrchen in unregelmäßigen Abständen den Befehl „Platz“ mitgeteilt, den sie offensichtlich für einige Sekundenbruchteile zu begreifen versuchte, bis sie sich wieder stehend und an der Leine zerrend den Artgenossen zuwandte. Zum Glück blieb sie dabei friedlich. Ein älterer Münsteraner war nervös und ängstlich mit Frauchen in der Tür stehen geblieben, so dass jeder Fluchtweg verbaut war. Irgendwann hatte Frauchen aber eine Einsicht und ging mit ihrem Hund noch einmal vor die Tür. Ein struppiges Etwas tanzte derweil neben uns nach einer unhörbaren Melodie, nur begrenzt durch den Einzugsbereich der Leine, wobei das Frauchen mir berichtete, wie gut erzogen dieses swingende Bündel sei. Den Befehl zum Tanzen hatte ich wohl überhört. Für eine größere Verhaltensstudie war aber ein kleiner Mischling am besten geeignet, der einem Jack Russel nahekam. Herrchen war ein ausgesprochenes Kraftpacket, mit tätowierten, muskelbepackten Armen. Ein Handwerker, offensichtlich nur kurz seiner Arbeitsstelle entronnen, wie seine Berufskleidung signalisierte. Lediglich sein noch knabenhaft, fast kindlich wirkendes Gesicht wollte zu seiner Erscheinung nicht passen. Zunächst saß der Mischling noch mit rausgestreckter Zunge aufmerksam in die Runde blickend auf Handwerkers Knie. Dann war er dieser Position wohl überdrüssig und quengelte, bis er zu Boden gelassen wurde - ein eingespieltes Team eben.  Herrchen unterhielt sich mit den Anwesenden, verlor sein Hundchen aus dem Blick, das unterm Stuhl austrat. Dieses entschlossene Heben des rechten Beines, das Rüden so an sich haben, hat ja tatsächlich etwas von treten. Munter ließ es dabei sein Bächlein dahinfließen, bis eine mittelalte Dame darauf aufmerksam wurde und Herrchen informierte. „O Gott“, rief der und informierte dann die Zuschauer, dass Hundchen vorhin einfach nicht gemacht habe. Seine rötliche Gesichtsfarbe und seine Verlegenheit wiesen aber mehr auf eine peinliche Unterlassung hin. Als ich dabei das Hundchen betrachtete, hatte ich den Eindruck von einem Grinsen in seinem Gesicht. Herrchen musste sich von einer Helferin Klopapier und Desinfektionsspray geben lassen, um die Pfütze zu beseitigen. Es hatte schon etwas Rührendes, wie dieses tätowierte Muskelpacket vor uns auf die Knie ging und für uns Conan die barbarische Raumpflegerin gab. Aber die Aktion war ja noch nicht abgeschlossen. Herrchen nahm nach seiner Reinigungstätigkeit wieder Platz. Hund schlich an ihn heran – Sidekick - Bein gehoben und Herrchens Schuh zum Ziel genommen. Und wieder das gleiche Spiel, nur der Bach wollte zunächst nicht enden. Es war erstaunlich, wie viel in so einen kleinen Kerl passt. Es war seinem Herrchen hoch anzurechnen, dass er trotz erkennbarer innerer Anspannung die äußere Ruhe behielt. Endlich war Hund fertig und Herrchen wieder mit Papier und Spray auf den Knien gelandet, als Hund zum letztendlichen Showdown ansetzte. Unbeachtet  hinter Herrchens gekrümmten Rücken, ahmte er dessen Haltung in Grundzügen nach und löste sich mit einem wundervollen Haufen. Die ältere Damen, die Momente später zu uns stieß, lies einen pikierten Blick in die Runde schweifen und bemerkte vorwurfsvoll: „Hier stinkts“. Ich hatte ein gutes Gewissen, denn hatte am Morgen geduscht.  Den Abschluss der Geschichte bildete die Impfung durch unsere Tierärztin. Ich kenne die Situation noch von unserem früheren Hund. Vorne am Hund steht die Helferin oder der Hundebesitzer und tut gegenüber dem Vierbeiner so, als sei das jetzt eine ganz normale Situation, in der es für irgendwas ein Leckerlie gibt. Steht vorne der Besitzer und ist der dabei aber nicht ganz entspannt, zum Beispiel weil er unter einer Spritzenphobie leidet oder aber beim Pikser eine hektische Reaktion seines Hundes erwartet, dann geht irgendwas schief. Der Hund schaut seinem unruhigen Herrchen oder  seinem nervösen Frauchen tief in die Augen und versucht herauszufinden, woher diese Anspannung stammt. Je nachdem welche Vorerfahrungen das Hundchen schon gemacht hat, sucht es sein Gegenüber zu trösten oder ist misstrauisch, weil jetzt sicher irgendwas Unerwartetes kommt. Und Recht hat der Kleine. Eben noch zerschmilzt das leckere Leckerchen auf seiner Zunge, als in seinem Hinterteil der Schmerz zu lodern beginnt. Naja, so könnte es ablaufen, wenn es nicht gut läuft. Bei Inuh war das anders. Er war neugierig auf dem Behandlungstisch, empfand ihn für tolle Spiele aber eigentlich etwas zu eng. Das Leckerlie schien ihn darüber hinwegzutrösten und dass er eine Injektion bekam, muss er irgendwie völlig verschlafen haben. Jedenfalls betrachtete er anschließend die drei entspannten Menschen um sich herum mit einem fragenden Blick, der ausdrücken mochte: „Wann geht hier endlich was los?“  Das Aufreiten „Sheeva“ ist die schwarze Ridgeback-Hündin unserer Nachbarn. Sie ist ein richtig großes, edles Tier. Sie bewegt sich elegant und mit großer Spannkraft. Wäre sie ein Mensch unter Menschen, würde sie mit ihrer Erscheinung Respekt und Anerkennung hervorrufen. Sie hätte etwas Damenhaftes im positiven Sinne. Unter Hunden ist das aber anders. Wahre Anerkennung unter Hunden gibt´s für den richtigen Duft und für Frechheit. Wäre dies unter Menschen gültig, würde ein Leben auf der Straße, das Schlafen unter Brücken und die seit Monaten nicht gewechselte Wäsche zu höchstem Ruhm führen und bei der nächsten Kommunalwahl die meisten Stimmen für den Stinker einbringen. Unter Hunden ist jedenfalls jener der Größte, dem es gelingt, sich ausgiebig in einem Kuhhaufen zu wälzen.  Wie ja schon aus der Welpenschule bekannt, übte sich Inuh auch bei anderen Gelegenheiten und bei jedem Hund, dem er habhaft werden konnte, in vermeintlicher Überlegenheit. Dabei war ihm die Größe seiner Kontrahenten oder Mitspieler völlig egal. Auch wenn Sheeva sicherlich mehr als das Vierfache an Inuhs Welpengewicht auf die Waage brachte und ihn um mehr als das Doppelte überragte, stand seine Übung und Devise fest: Ich muss Aufreiten. Was für eine alberne Vorstellung. Als Herrchen steht man dann daneben und sieht den Übungen mit zunehmend peinlichem Gefühl zu. Das hat nichts von Rodeo und Wildwest.  Ich wusste, dass seine Übung aber auch rein gar nichts mit Fortpflanzungshormonen gemein hatten und auch nicht in den Diensten einer Kopulation standen, aber irgendwie wirkte sein Verhalten doch wie das eines völlig unbeherrschten Sexualtriebtäters. Mich erinnerte das Ganze an jene Leutchen, die Luftgitarre spielen. Luftgitarre ist jene Tätigkeit, die Menschen an den Tag legen, die gerne E-Gitarre spielen würden, aber keine besitzen und auch nie eine Unterrichtsstunde genommen haben – peinlich eben, auch wenn ich dafür überhaupt keine Verantwortung trage. Inuh rüttelte mit seinem kleinen Hinterteil hilflos in der Luft, während Sheeva dort oben, weit über ihm einen gleichgültigen Blick aufsetzte, mild zu lächeln und zu denken schien: „Einen Augenblick gebe ich dir noch, dann mache ich einen kleinen Schritt zur Seite“.   Männliche Hundeliebhaber Über die Reaktionen der Damenwelt auf einen kleinen Hund hatte ich ja schon etwas geschrieben. Es fehlt noch, etwas über die Männer zu sagen. Männer reagieren auf Welpen ganz anders. Ist ihnen die Regression auf frühere Entwicklungsstufen an sich schon zuwider und wird ein damit verbundenes Bedürfnis von Ihnen – na gut, auch von mir – in allerlei scheinbar Männliches und Erwachsenes kanalisiert, so werden sie sich bei einem Welpen nicht eine einzige kleine Blöße geben. Mögen ihnen auf Grund einer inneren Rührung auch vielleicht ein wenig die Augenfeucht werden, sie werden es als Einfluss von Staub oder kalten Windzug ausgeben.  Den Männern, denen ich mit Inuh begegnete, kamen niemals irgendwelche Lautgeräusche über die Lippen (Zur Erinnerung „Titsitutsitutsi“). Und Bemerkungen wie „Ach ist der süß“, waren ihnen völlig fremd. Zumeist versuchten männliche Passanten nur aus den Augenwinkeln auf ihn zu schauen oder eine gewisse Distanziertheit an den Tag zu legen. Jene, die dennoch weich wurden, beschränkten sich dann auf den Abruf klarer Fakten: „Wie viele Wochen? Wie groß wird er? Was steckt da drin? Kann man den ausbilden?“ Eventuell wurden noch Qualitätsvergleiche angestellt mit anderen Rassen, Vorzüge und Nachteile abgewogen. Männer im Alter von um die 30 Jahre fanden die Familienfreundlichkeit der Rasse interessant, insbesondere wenn sie jung verheiratet oder gerade Vater geworden waren. Aber gerade die jüngeren und auf ihren Shirts eindeutig beschrifteten, sahen den Mangel an Kampfbereitschaft gegenüber einem Mastino oder Pitbull doch als gravierend an. Gut, sie hatten Inuh auch nicht in der Welpenschule gesehen.  To be continued …
Ein Elo ist ein familienfreundlicher Hund … Mit diesen Worten wurde uns unser kleiner Welpe beschrieben, als wir nach einer geeigneten Rasse suchten. Und die beiden Elos in unserer Verwandtschaft hatten diese Ankündigung eigentlich bestätigt. Speziell für diese Eignung, nämlich sanftes Wesen und eher ruhig, keinesfalls ein Rabauke sollte diese Rasse gezüchtet sein. Später, als er dann bei uns war und seine wahre Seite zeigte, hatte Kristina noch im Internet recherchiert. Der Elo ist eine Züchtung aus Eurasier, der liebevoll und konsequent erzogen werden muss, aus Bobtail, der eine harte Erziehung übelnimmt und Befehle sowieso nicht sofort erfüllt, aus Spitz, der Streicheleinheiten mag, sehr Menschengebunden ist und viel Geduld und Einfühlungsvermögen neben der Konsequenz in der Erziehung braucht. Fasse ich das zusammen und übersetze es richtig, dann haben wir uns darauf eingelassen, mit eine echten Sensibelchen zusammenzuwohnen, bei dem man ein Mittelmaß an Strenge finden muss. Dass es nicht akzeptiert, wenn man mal alle Fünfe grade sein lässt. Man muss aufmerksam seine Signale beachten, immer zur Verfügung zu stehen, mit all seiner Zuwendung. Und wir dürfen uns dabei nicht einbilden, dass der Kleine dann ein Einsehen mit uns hat, unsere Bitten zu erhören jedenfalls nicht sofort. Als uns das klar wurde, habe ich das erste Mal mit dem Gedanken gespielt, ganz in Rente zu gehen und nur noch für den Hund da zu sein.