Klaus Walter Coaching und Supervision
Gruppenklima und Suchtmittelkonsum
Beobachtung in Wohngruppen der Jugendhilfe:
Die Probleme von Jugendlichen
Eine
Reihe
von
Jugendlichen
verheimlichen
ihren
Drogengebrauch
nicht
mehr
oder
propagieren
ihn
gelegentlich
sogar.
Nicht
selten
findet
auch
ein
gemeinschaftlicher
Drogenkonsum
statt.
Das
Problem,
daß
daraus
entsteht
ist,
daß
die
Neugier
anderer,
(noch)
nicht
konsumierender
Wohngruppenmitglieder
an
Drogen
rasch
aufgegriffen
und
verstärkt
wird.
Als
Betreuer
entwickelt
man
dann
selbstzweiflerische
Vorstellungen,
daß
die
Betreuung
in
der
Wohngruppe
für
den
Drogenkonsum
junger
Menschen
verantwortlich
zu
machen sei. Diese Selbsteinschätzung ist aber zurückzuweisen.
Begründung:
Die
jungen
Menschen
in
der
Jugendhilfe
stellen
eine
problembeladene
Auswahl
aus
der
Gesamtgruppe
Jugendlicher
dar.
Sie
sind
in
unseren
Einrichtungen,
weil
ihr
Schicksal
eine
bestimmte
Entwicklung
genommen
hat,
für
die
schwierige
und
belastende
Familien-
und
Umgebungsbedingungen
Hintergrund
waren.
Sie
wurden
(emotional)
unterversorgt,
mißhandelt,
mißachtet
und
letztendlich
von
ihrer
gewohnten
Umgebung
getrennt.
Sie
sind
darum
haltlos
und
emotional
bedürftig,
sozial
verunsichert
und
mißtrauisch.
Sie
greifen
eher
nach
Dingen,
die
unmittelbar
erreichbar
sind,
die
ihnen
mehr
(scheinbare)
Sicherheit
und
Befriedigung
bieten
als
ihre
Mitmenschen,
in
einer
Welt,
die
Materielles
betont.
Sie
vertrauen
sozialen
Kontakten
wenig,
dem
zwischenmenschlichen
Austausch
noch
weniger
und
wenden
sich
darum
dem
real
Greifbaren,
dem Augenblicklichen und dem Konsum zu.
Der
Drogengebrauch
vereinigt
dann
in
unglücklicher
Weise
die
Möglichkeit
zur
unmittelbaren
scheinbaren
Befriedigung
der
Bedürfnisse,
indem
er
in
eine
bessere
Scheinwelt
entführt,
unter
der
Drogenwirkung
unterdrückte
Fähigkeiten
und
Empfindungen
freisetzt
und
indem
die
konsumierbare
Substanz erwerbbar und greifbar ist.
Die
jungen
Menschen
in
unserer
Betreuung
besitzen
also
schon
eine
Disposition
zur
Droge,
die
auch
unter
anderen
Bedingungen
-
z.B.
im
Schulalltag
oder
in
Diskotheken
-
von
den
dort
anzutreffenden
Konsumenten,
Dealern
und
Pushern
aufgenommen
und
verstärkt
werden
würde
und
wird.
Die
Vorstellung,
für
sie
eine
drogenfreie
Umwelt
zu
schaffen,
in
der
die
Versuchung
nicht
vorhanden
ist
und
in
der
sie
vor
ihrer
eigenen
Neigung bewahrt würden, ist ein Illusion.
ERGO:
Die
Betreuung
in
Wohngruppen
erleichtert
zwar
den
Zugang
zum
Drogenkonsum,
bewirkt
ihn
aber
nicht.
Bei
den
meisten
jungen
Menschen
würde er über kurz oder lang auch unter anderen Bedingungen eintreten.
Gruppeneinfluss
Der
Einfluß
einer
Gruppe
kann
dennoch
sehr
wesentlich
sein,
wenn
es
darum
geht,
wie
der
weitere
Verlauf
des
Suchtmittelgebrauchs
sich
gestaltet.
Gruppendruck kann den Gebrauch verstärken, vermindern und in bestimmte Konsummuster lenken.
Auch
wir
erwachsenen
Legalkonsumenten
von
Kaffee,
Tabak
und
Alkohol
passen
unsere
Gebrauchsgewohnheiten
an
solche
Muster
an
und
minimieren
so
unseren
gesundheitlichen
Schaden.
Beispiele
für
soziale
Gebrauchsmuster:
Alkoholgenuß
in
festlichen
Gesellschaften,
die
gemeinsame Zigarette nach dem Essen oder der Kaffee zu Frühstück etc.
(Soziale)
Konsummuster
regulieren
also
den
Gebrauch
der
Substanzen,
so
daß
die
Gefahr,
die
von
ihnen
ausgeht,
reduziert
wird.
Suchtmittel
entfalten ihr Gefahrenpotential erst im vollen Umfang, wenn man diese Gewohnheiten verläßt.
Beispiele: Kettenrauchen, täglicher Alkoholkonsum, Kaffee als alleiniges Tagesgetränk etc.
Soziale
Gemeinschaften
leben
Konsummuster
vor
und
fordern
ihre
Einhaltung
ein.
Befragungen
zeigen,
daß
sich
junge
Menschen
oft
von
Bekannten
und
Freunden
vom
Gebrauch
suchterzeugender
Substanzen
abhalten
ließen
bzw.
ihrerseits
Bekannte
und
Freunde
abgehalten
haben.
Ein
pädagogisches Mittel kann darum sein, im Rahmen einer zu betreuenden Gruppe eine „Gegenkultur“ zum Suchtmittelkonsum aufzubauen.
Jugendliche Subkulturen
Junge
Menschen
suchen
nach
Orientierung.
Wenn
wir
Erwachsenen
keine
Angebote
machen
können,
die
jugendgerecht
sind,
dann
geht
die
Jugend
eben
ihren
eigenen
Weg.
Unter
Umständen
ergeben
sich
daraus
dann
jugendliche
Subkulturen,
die
problematische,
realitätsferne
und
sogar
selbstzerstörerische Werte und Normen installieren.
Besonders
anfällig
für
problematische
und
erwachsenen-oppositionelle
Subkulturen
sind
junge
Menschen,
die
in
ihrem
Leben
nicht
nur
keinen
Halt
erlebten, sondern sogar noch negative Erfahrungen mit Erwachsenen sammeln mußten.
Die
jungen
Menschen
in
unserer
Betreuung
haben
zumeist
schon
Anschluß
an
problematische
Subkulturen
gesucht
oder
gefunden.
Sie
vermitteln
so
leicht
den
Eindruck,
nicht
mehr
erreichbar
zu
sein.
Lassen
wir
uns
von
diesem
Eindruck
leiten,
dann
geben
wir
eine
Bankrotterklärung
für
die
Jugendhilfe ab. Es wäre dann an der Zeit Jugendhilfe aufzugeben und stattdessen einer produktiveren Beschäftigung nachzugehen.
Die
AG
geht
davon
aus,
daß
Einflüsse
möglich
sind.
Die
Möglichkeiten
hierzu
sind
allerdings
nicht
an
der
oberflächlich
erkennbar,
sondern
benötigen
Sensibilität
und
Einfühlungsvermögen.
Gerade
bei
jugendlichen
Drogenkonsumenten
ist
zudem
die
Erfolgserwartung
auf
das
realistisch
Mögliche
einzustellen. Hierzu gehört zu begreifen, daß zur Arbeit mit Drogenkonsumenten der Rückschlag Bestandteil der normalen Entwicklung ist.
Gegenkultur zum Suchtmittelkonsum
Präventionsarbeit,
sowie
stationäre
Suchttherapie
bauen
seit
Jahrzehnten
auf
den
Einfluß
einer
gesunden
Gegenkultur
auf.
In
der
Therapie
ist
hierfür das „therapeutische Klima“ als Fachbegriff gewählt worden.
Einige
Aspekte
der
„Gegenkultur“
können
sein:
Anerkennung
und
Belohnung
des
Konsumverzichts
durch
die
Gruppe,
Imageaufwertung
des
Nicht-
Konsumenten, aktives Alternativprogramm zur konsumierenden Freizeitgestaltung, Gruppenunternehmungen....
Gegenkultur in der pädagogisch betreuten Wohngruppe
Wie
läßt
sich
in
einer
sozialpädagogischen
Wohngruppe
eine
Kultur
entwickeln,
in
der
Suchtmittel
keinen
oder
wenig
Raum
haben
bzw.
in
der
die
Konsummuster sich in einer Weise entwickeln, daß sie den Schaden von Substanzen minimieren?
Wir möchten hierzu 3 Aspekte betrachten: Kreative Freizeitgestaltung, Steigerung des „Wir-Gefühls“, suchtmittelablehnendes Gruppenklima.
Kreative und aktive Freizeitgestaltung
Der
motivationale
Hintergrund,
der
zu
Suchtmittelkonsum
führt,
wird
unter
anderem
von
Neugier
und
Erlebensinteresse
einerseits,
mangelndem
Einfallsreichtum
und
Langweile
andererseits
bestimmt.
Immer
dann,
wenn
Neugier
und
Interesse
am
Erleben
nicht
in
kreativer
Auseinandersetzung
mit der Umwelt münden
,
wenden
sie
sich
dem
Konsum
und
dem
bequemen
Genuß
zu.
Unsere
Gesellschaft
fördert
durch
ihre
Konsumorientierung
diese
Haltung
und
unsere
jungen Menschen haben sich schon gut darin eingepaßt.
Gerade
wegen
der
weit
fortgeschrittenen
Anpassung
bedarf
es
einer
intensiven
Motivierung,
um
eine
Gruppe
unserer
jungen
Menschen
an
eine
kreative
und
aktive
Freizeitgestaltung
heranzuführen.
Eine
Einzelaktion
wird
dies
niemals
erreichen
können,
sondern
wir
stehen
in
aller
Regel
vor
einer
aufwendigen
Entwicklungsaufgabe,
an
deren
Ende
erst
eine
sinnvollere
Freizeitgestaltung
steht.
Am
Anfang
werden
wir
mit
unseren
Angeboten
zumeist
ablehnende
und
vielleicht
sogar
aggressiv-destruktive
Rückmeldungen
erhalten.
Unsere
Geduld
wird
reichlich
strapaziert
werden
und
die
jungen
Menschen
werden
sich
Mühe
geben,
uns
zu
entmutigen.
Es
gilt
in
dieser
Phase
die
kleinen
Ansätze,
die
in
aller
Regel
dennoch
vorhanden
sind,
zu
erkennen
und
auf
ihnen
aufzubauen.
Diese
kleinen
Ansätze
können
z.B.
in
kurzen
Aktivitätsphasen
der
Gruppe
oder
in
Aktivitäten
einzelner
Gruppenmitglieder
erkennbar
werden.
Mit
Zunahme
von
positiven
Erfahrungen
bei
diesen
Minimalaktivitäten
kann
sich
dann
ein zunehmendes Interesse entwickeln.
Aktivitäten können sein:
•
Spiele und Werkeleien (Drachenbau)
•
Aufwendige Ferien- und Urlaubsplanung (Abenteuerferien)
•
musikalische Aktivitäten (WG-Band)
•
Projekte, wie Partyraumgestaltung, Floß bauen, ...
Steigerung des „Wir-Gefühls“
Junge
Menschen,
die
schlecht
soziale
Bezüge
aufbauen
können,
sind
anfälliger
für
einen
ungesunden
Suchtmittelkonsum.
Ohne
sozialen
Halt
und
angenehme
soziale
Erfahrungen
ist
wohl
der
Rückzug
in
die
Suchtmittelwirkung
eher
attraktiv.
Eine
Verbesserung
des
Gefühls
zu
einer
Gruppe
hinzuzugehören
–
insbesondere,
wenn
diese
Gruppe
auch
noch
angenehme
soziale
Werte
vertritt
–
muß
darum
präventiv
gegen
(übermäßigen)
Suchtmittelkonsum wirken.
In
den
Gruppen,
in
denen
mit
suchtmittelabhängigen
Menschen
gearbeitet
wird,
sind
regelmäßige
Gespräche
Bestandteil
der
Entwicklung
von
Gemeinsamkeiten.
Hierbei
erhalten
die
Gruppenzugehörigen
die
Gelegenheit
über
sich
selbst
zu
berichten,
Schwierigkeiten
darzustellen,
Lösungen
für Problem in der Gruppe anzustreben.
Ein
Zugehörigkeitsgefühl
entsteht
natürlich
auch
über
gemeinsame
Aktionen
(s.o.)
und
insbesondere
auch
durch
gemeinsame
Leistungen
(kreative
und
sportliche).
Es
müssen
aber
nicht
immer
die
außergewöhnlichen
Dinge
sein,
die
zu
mehr
Gemeinsamkeit
führen.
Unseres
Erachtens
ist
es
wichtig,
daß
sich
im
Alltag
eine
entsprechende
Entwicklung
einstellt.
Hierzu
gehören
darum
auch
Gruppengewohnheiten
(gemeinsames
Essen
und
gemeinsame Essenszubereitung, regelmäßiger Spieleabend), gemeinsame Feiern (Geburtstag, etc.), eindeutige Recht und Pflichten, etc.
Suchtmittelablehnendes Gruppenklima
Die
Normen
und
Werte
in
einer
Gruppe
können
–
wie
gesagt
–
die
Konsummuster
beeinflussen.
Was
nicht
gelingt,
ist
die
Vorgabe
von
Gruppennormen
und
–regeln,
mit
Gewißheit,
daß
diese
dann
befolgt
werden.
Gruppennormen
und
-regeln
verdichten
sich
erst
dann
zu
einem
Klima,
in dem sie eingehalten werden, wenn sie von einer bestimmten Zahl der Gruppenmitglieder getragen werden.
Es
ist
unsere
Aufgabe,
das
Gruppenklima
aktiv
mitzugestalten.
Bezüglich
des
Suchtmittelkonsums
ist
es
wesentlich,
daß
die
Gruppe
lernt,
Abstinenz
bzw.
akzeptable
Konsummuster
als
ihren
eigenen
Wert
anzunehmen.
Moralinsauere
Vorträge
sind
hierfür
wenig
geeignet.
Es
ist
bekannt,
daß
insbesondere
Moralpredigten
oder
Schockmethoden
(Bericht
über
die
schlimmen
Nebenwirkungen)
oftmals
das
Gegenteil
von
dem
bewirken,
was
sie
erreichen
sollen.
Tatsächlich
halten
die
bildhaften
Darstellungen
von
offenen
und
schwarzen
Raucherbeinen
keinen
bodenständigen
Qualmer
vom
weiteren
Konsum
ab.
Eventuell
muß
er
sogar
vor
lauter
Schreck
erst
einmal
nach
draußen,
um
mit
einer
Zigarette
zu
verdauen,
was
er
da
gerade
gesehen hat.
Wir
müssen
uns
in
Gesprächen,
der
ständigen
Auseinandersetzung
mit
dem
Thema
„Flucht
vor
persönlichen
Problemen“
stellen,
bei
dem
der
Suchtmittelkonsum
nur
ein
Unterthema
ist.
Kommt
das
Gespräch
dann
auf
Suchtmittel,
müssen
wir
uns
als
kompetent
erweisen,
ohne
in
Besserwisserei abzugleiten und ohne uns als die besseren Menschen darzustellen.
In
„guten“
Gesprächen
werden
junge
Menschen
mehr
oder
weniger
eine
eigene
Haltung
zum
Suchtmittelkonsum
entwickeln.
Diese
Entwicklung
gilt
es
zu
fördern.
An
einem
bestimmten
Punkt
dieser
Entwicklung
ist
es
möglich,
die
Normen
und
Regeln
der
Gruppe
zu
diskutieren
und
die
jungen
Menschen zu gewinnen, ihre Einhaltung gegenseitig einzufordern.
Welche
Auswirkungen
hat
das
Klima
in
einer
Gruppe
junger
Menschen
auf
den
Konsum
von
Rauschmitteln?
Welchen
Einfluss
kann
Erziehung
auf
das
Gruppenklima
nehmen,
um
eine
Veränderung
im
Suchtverhalten
zu
bewirken?
Im
folgenden lesen Sie das Protokoll einer von mir angeleiteten Arbeitsgruppe zu diesem Thema.