Achtsamkeit ist eine Meditationspraxis. In der Übung von Achtsamkeit richtet man seine Aufmerksamkeit aus, um Ruhe und Beständigkeit zu kultivieren. Und man geht darüber hinaus, indem man ein Element des Erforschens einbringt. Wenn Gedanken oder Gefühle entstehen, ignoriert man sie nicht, noch unterdrückt man sie, noch analysiert oder beurteilt man ihren Inhalt. Stattdessen betrachtet man sie, absichtlich und so gut man kann, ohne sie zu bewerten, wie sie von Moment zu Moment wie sie als innere Ereignisse neben anderen inneren Ereignissen entstehen.Gelingt dies, dann führt es zu einer Art Distanz zu den Gedanken. Man verstrickt sich weniger in sie, erhält einen tieferen Einblick in die eigenen Reaktionsweisen auf das Alltägliche und auch auf Schwierigkeiten. Ein Gedanke nach dem anderen entsteht und vergeht und dabei erkennt man, was tatsächlich im Geist abläuft. Man kann den Inhalt der Gedanken benennen, die Gefühle, die mit ihnen verbunden sind und dann auch die Reaktionen auf diese Gefühle. Man wird sich so der Absichten, Fixierungen, Vorlieben, Abneigungen und Unstimmigkeiten bewusst, die sich in den eigenen Ideen verbergen. Wenn das gelingt, gewinnen wir Einsichten darin, was uns antreibt, wie wir die Welt sehen, was wir denken und wer wir sind – Einsichten in unsere Ängste und Wünsche.Der Schlüssel der Achtsamkeitspraxis liegt nicht so sehr im Objekt unserer Aufmerksamkeit, sondern in der Qualität der Aufmerksamkeit, die wir in jedem Moment aufbringen. Es ist wichtig, dass die Aufmerksamkeit einem stillen Zusehen gleicht, das nicht bewertet oder ständig kommentiert. Dann können wir erleben, was in unserem Geist geschieht, ohne dies verändern oder zensieren zu müssen, ohne es zu intellektualisieren.Erfahrungen so klar wie möglich sehen und annehmenDas Ziel von Achtsamkeit ist es, in jedem Augenblick mehr mit dem Leben verbunden zu sein, mehr damit verbunden zu sein, was gerade in unserem Körper und Geist geschieht. Ziel ist es, einen plagenden Gedanken, ein Gefühl oder einen wahren körperlichen Schmerz zu empfinden, ohne uns dieser unangenehmen Erfahrung zu entziehen, sondern sie so klar wie möglich zu sehen und anzunehmen. Annehmen heißt selbstverständlich nicht Passivität oder Resignation. Im Gegenteil, wenn wir den Moment voll und ganz so annehmen wie er ist, öffnen wir uns den Erfahrungen des Lebens umfassender und werden fähiger, jeder Situation, die sich präsentiert, angemessener zu begegnen. Akzeptanz bietet einen Weg an, durch die Höhen und Tiefen des Lebens zu navigieren. Dann können wir auch bei einem von uns erschaffenen, und gerade majestätisch eingestürzten Bauwerk ausrufen:“What a beautiful catastrophe,” Zorba the Greek.Zorba ist dabei keinesfalls zynisch. Er trägt das Ereignis mit Würde, Humor und vielleicht mit einem Verständnis für die größeren Zusammenhänge - etwas, das weise ist.Achtsamkeit praktizierenformelle MeditationMethoden, die uns helfen, über eine ausgedehnte Zeitspanne hinweg wach und achtsam im Augenblick zu bleiben. formlose Praxiswährend der alltäglichen Aktivitäten gegenwärtig sein und von Zeit zu Zeit „nachzuschauen“, ob wir noch achtsam sind. Achtsamkeit ist eine Art des Seins und weniger eine Technik. Es ist eine Frage unseres Willens, wach bei der Entfaltung unseres Lebens dabei zu sein.Die formelle MeditationVergleichen wir den Geist mit der Oberfläche eines Meeres. Auf dem Meer gibt es immer Wellen, manchmal große, manchmal kleine. Viele Leute denken, dass das Ziel der Meditation darin bestünde, die Wellen zu verhindern, so dass die Oberfläche flach, friedlich und ruhig wird. Doch dies ist eine irreführende Vorstellung. Viel besser wird der wahre Geist der Achtsamkeitspraxis von folgendem Spruch illustriert:„Du kannst die Wellen nicht stoppen, aber Du kannst lernen, sie zu reiten.“Yogi, Swami SatchidanandaJede der Methoden unten beschriebenen Methoden soll die Aufmerksamkeit fokussieren. Bemerken wir, dass der Geist abschweift, nehmen wir so urteilslos wie möglich wahr, wohin der Geist gewandert ist, bevor unsere Aufmerksamkeit wieder auf das ursprüngliche Objekt richten. Erst wenn wir aufkommende Erinnerungen oder Zukunftsphantasien, Gefühlen der Langeweile, Ungeduld oder Angst, einen ablenkenden Körpereindruck beachtet haben, bringen wir die Aufmerksamkeit wieder zu unserem ursprünglichen Objekt der Meditation zurück.Wichtigster Unterschied zu einer Konzentrations-Meditationen ist, dass wir beobachten, wohin unser Geist gewandert ist. Dadurch werden wir uns der wechselnden Natur jeder Erfahrung bewusst, und hierin liegt das Merkmal der Achtsamkeitsübung.Body-ScanBeim Body-Scan lässt man die Achtsamkeit langsam und systematisch durch die verschiedenen Regionen des Körpers wandern und nimmt währenddessen bewusst die körperlichen Empfindungen wahr. SitzmeditationIn der buddhistischen Tradition symbolisieren Abbildungen des sitzenden Buddha die Verwirklichung des vollständig erwachten Geistes. In der Sitzmeditation ist es wichtig, in einer würdevollen Haltung zu sitzen, mit aufrechtem Kopf, Nacken und Rücken, ohne sich jedoch dabei zu versteifen. Hilfreich kann ein Stuhl mit gerader Rückenlehne sein. Die Position sollte eine wache und würdevolle innere Haltung ausstrahlen. Hatha-YogaGewöhnlich beginnt man damit, ein einzelnes Objekt für die Achtsamkeit zu wählen – zum Beispiel den Atem. Man konzentriert sich auf einen Aspekt des Atmens, wie das Ein- und Ausströmen der Luft an unserer Nasenspitze oder die sanfte Dehnung und Senkung unserer Bauchdecke mit jedem Ein- und Ausatmen. Hat sich ein gewisser Grad von Konzentration entwickelt, dehnt man die Achtsamkeit über die wechselnden Empfindungen des Atems hinaus aus. Geräusche, Empfindungen, Gedanken oder andere Objekte werden achtsam wahrgenommen, sobald sie in das Gewahrsein dringen. Dabei wird so gut wie möglich versucht, eine ruhige, nicht-reaktive und stetige Aufmerksamkeit beizubehalten, wobei der Atem als Anker dient.Die formlose PraxisObgleich es so einfach erscheint, während des Tages achtsam zu sein, lässt es sich doch nicht so leicht in die Realität umsetzen. Wir tendieren dazu, einen guten Teil unseres Lebens gedankenlos, gewohnheitsmäßig und mechanisch zu verbringen, verwickelt in unsere eigenen Gedanken und Gefühle, unsere Launen und Reaktionen auf die Dinge und nur selten sehen wir sie in einem größeren Zusammenhang. Es ist schwierig, aus dieser Gewohnheit auszubrechen. Dabei kann jede Tätigkeit zu einer Gelegenheit werden, Achtsamkeit zu praktizieren. Alles was gebraucht wird, ist ein Wandel im Bewusstsein, ein Umschalten von der gewohnheitsmäßigen blinden Daseinsweise zu wacher Präsenz.
Achtsamkeit im Alltag
Am Morgen: Sinniere unter der Dusche nicht schon über die Tagesplanung, nutze lieber deine Sinne und achte auf jedes winzige Detail. Wie fühlt sich der Wasserhahn an? Was für ein Geräusch macht er beim Aufdrehen? Lausche dem Plätschern des Wassers, versuche die unterschiedlichen Klänge der Tropfen zu erhaschen: auf deinem Körper, an der Duschwand, auf dem Boden. Oder beobachte, wie das Wasser auf deiner Haut abperlt, wie sich das Duschgel in eine schaumige Masse verwandelt und einzelne Schaumblasen zerplatzen. Dabei ist wichtig: Versuche mit deinem Gedanken wirklich unter der Dusche zu bleiben. Driftest du für einen Moment doch ab zu anstehenden Terminen oder vergangenen Streitigkeiten, nimm auch das wahr und kehre sanft wieder zurück in den Moment. Das kann bei jeder Achtsamkeitsübung passieren.Auch mal erleben: Jede kleinste Bewegung beim Zähneputzen, die Geräusche beim Schmieren der Frühstücksbrote oder das Körpergefühl im Moment, bevor man aus dem Bett aufsteht: Wie geht es dem kleinen Zeh? Was macht das linke Ohrläppchen?Unterwegs: Achtsamkeit in der Bahn: Was zieht draußen am Fenster vorbei? Hebe in der Bahn deine Augen vom Buch, vom Smartphone oder vom sonstigen Zeitvertreib. Beobachte die Menschen, die dich umgeben. Folge mit deinem Blick dem Alltäglichen. Nimm wahr, wer mit die unterwegs ist, was die anderen Gäste während der Fahrt tun, wie sie gucken. Aber Vorsicht: Bewerte nicht, was du siehst, denke nicht weiter darüber nach, sondern schaue nur. Auch das gilt für jede Achtsamkeitsübung. Auch mal erleben: Die Liebkosungen des Windes beim Radfahren, jedes Haus, jede Wiese, jedes Schaf, das am Busfenster vorbeizieht oder die mannigfachen Gerüche am Bahnhof.Am Arbeitsplatz: Nimm die zwei Minuten Zeit und sieh dich ganz bewusst an Ihrem Arbeitsplatz um. Beschaue jedes Detail. Benenne im Kopf alles, was du siehst. Aber: Denke nicht weiter darüber nach, sondern geh gemächlich im Kopf weiter zum nächsten Gegenstand. Du kannst auch die Heftklammern einzeln anfassen, das kühle Metall an der Fingerspitze spüren oder den Notizblock wie ein Daumenkino durchblättern und dabei den Luftzug im Gesicht spüren. Auch erleben: Den Blick auf das "Dazwischen" lenken: Was befindet sich zwischen zwei Büroschränken? Zwischen Büchern und Ordnern, zwischen Tesafilm und Klebestift, zwischen den Köpfen von Kollegen?Mittagspause: Konzentriere die einige Bissen lang ganz genau auf den Geschmack des Gerichts. Taste das Essen mit der Zunge ab, erkunde die Konsistenz. Beobachte, wie dein Speichel fließt und spüre, wie dein Getränk im Mund bitzelt. Auch mal erleben: Nur in Gedanken eine Zitrone nehmen, sie gemächlich aufschneiden, daran riechen und hineinbeißen. Spürst du die Säure?Für zwischendurch: Steh einmal auf und geh ein oder zwei Minuten lang einfach durch den Raum oder über eine Wiese. Ganz ohne Ziel. Folge dabei nur deinen Impulsen: Mal nach links, dann vielleicht rückwärts, mal in großen, mal in kleinen Schritten. Auch mal erleben: Eine Minute lang die Ohren zuhalten und in sich hineinhorchen, dann wieder öffnen und ebenso lang die Geräusche um sich herum genau aufnehmen.Anti-Training: Anti-Training: Wie hört sich Musik an, die man als unschön empfindet? Schalte im Auto auf der Heimfahrt oder im Wohnzimmer zu Hause einen Radiosender ein, den du sonst nur ungern hörst. Lausche dort einem Song: Achte auf jeden einzelnen Ton, höre die verschiedenen Instrumente um Aufmerksamkeit ringen. Du denkst jetzt vielleicht: Warum soll ich das machen, wenn ich die Musik doch nicht mag? Vor allem in unangenehmen Momenten achtsam zu sein, stärkt die Psyche. Wer etwa im Feierabendstau ärgerliche Gedanken loslassen kann, schützt sein Gemüt. Auch mal probieren: Beim Zahnarzt oder im überfüllten Bus sich und die Umwelt ganz bewusst wahrnehmen, dabei unangenehme Gerüche, schrille Geräusche, negative Gefühle und Gedanken erkennen, aber auch wie eine Wolke vorbeiziehen lassen. Denn das ist das Geheimnis von Achtsamkeit: wahrnehmen und loslassen.Die Orangenmeditation (eine Audiodatei im mp3-Format
Dies hier ist eine Handreichung für eine Teamfortbildung.